TOM CLANCY'S: THE DIVISION
Testbericht | PS4 | PC | Xbox One

Tom Clancy's: The Division gold_medium

vor 8 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 8 Jahren

Was taugt The Divison? Die Geschmäcker werden hier einmal mehr einer starken Polarisierung ausgesetzt. Ubisoft geht gemeinsam mit Massive Games das eine oder andere Wagnis ein, welches sich für den Spieler lohnt. Andererseits ist nicht jede Zutat und jede Zubereitungsart im Detail so ausgereift, wie man es sich als Gast am Tisch vielleicht wünschen würde. Was bleibt, ist ein Erlebnis der eigensinnigen Art, mit Höhen und Tiefen — spielerisch wie inszenatorisch.


Viren leben länger

Coole Grundidee: Für das Setting kam nicht die ewiggleiche und reichlich ausgelutschte Zombie-Seifenoper zum Zug. Hier hat ein geisteskranker Labormeister den maximal tödlichen Supervirus gezüchtet und auf perfide Weise auf die Bevölkerung von New York losgelassen. Ursprung und Verbreitung des Virus basieren auf einer interessanten Story-Idee, inkl. einem kleinen Seitenhieb auf die Konsumgesellschaft und deren Verhalten. Dieses wurde recht deutlich mit dem Ausbruch der Katastrophe an Black Friday und der schnellen Verseuchung aufgrund der hysterischen Shoppingwahns umgesetzt. Im Verlauf der Handlung zeigt sich leider, dass (einmal mehr) das Potential der Hauptstory nicht ausgereizt, sondern lediglich angekratzt wurde. Schade. Für meine Begriffe unverständlich, gemessen an den Budgets und der Masse an Talent, welches sich dem Entwicklerteam mit Sicherheit geboten hat.

Anlehnung an sinnstiftende Bilder: Das Setting des Spiels und die gesamte Spielwelt — inspiriert von Filmen wie «Contagion» und «I am Legend», gewürzt mit einer Prise «The Day after Tomorrow», «28 Days Later» und «Worldwar Z», natürlich ohne die obligaten Zombiehorden in diesem Fall — ruft manches bekanntes Bild beim Publikum hervor. Man kennt das eine oder andere Detail aus Blockbustern, damit wird gezielt gearbeitet bei Division.

Abseits der Pfade wandeln lohnt sich: Einige der besten Momente gibt es zu entdecken in situativen Geschehnissen wie Nebenmissionen. Insbesondere jene Aufgaben, wo man nach vermissten Personen suchen und deren Verbleib aufklären soll, zeigen sich als beste Unterhaltung. Zur Findung der Lösung dienen neben Hinweisen in Gegenstandsform auch Hologramme, welche «heraufbeschworen»Â und anschliessend in einer Art Augmented Reality-Kulisse begangen werden können. Darin finden sich meist wertvolle Hinweise, und die Glaubwürdigkeit ist aufgrund der Herleitung via Überwachungssysteme, Videokameras und Datensammlungen auch gegeben. Diese kleinen Detektivepisoden gehören mit zum Besten, was The Division an Atmosphäre und Spannung zu bieten hat.

Blasse Helden: Der eigene Charakter, ob männlich oder weiblich, hat keinen spezifischen Hintergrund, der etwas zur Story beitragen würde. Schade zum Zweiten. Ubisoft hat leider nicht begriffen, dass sich solche Aspekte hervorragend mit der Hauptstory synchronisieren lassen würden.

Sehr lauwarm bleibt auch das Gesamtgefüge des Settings samt Story hinsichtlich Moral: Die Gegnerfraktionen machen einen eher mittelmässig originellen Eindruck, und wirken hingekleckst. «Hey, wir brauchen noch ein paar Böse, was nehmen wir? Die Biker oder die Plünderer? Ah ja, die ausgebrochenen Gangster» Die städtischen Säuberungstrupps, sprich im ursprünglichen Sinn Strassenwischer, werden zu Nazi-ähnlichen eigenmächtig handelnden Brutalos. Dazu streunende Plünderer und eine Gang von ausgebrochenen Knastis. Würden all diese Personen nicht schlichtweg das Weite suchen? Wer treibt sich schon freiwillig in einer abgeschotteten Quarantäne-Zone rum? Warum wurden die an sich interessanten Potentiale für Storytelling mit psychologischen Konflikten, Dilemmas und Gratwanderungen nicht aufgegriffen? Man erkennt zeitweise die Unfähigkeit der Urheberschaft, mit einer gewissen Komplexität in einem quasi realen Setting angemessen umzugehen, was die Story angeht — am Ende kippt das Ganze in Richtung «absurd». Einiges macht in dieser Form einfach keinen Sinn — ausser wenn man nichts überlegen und auf alles schiessen will, was sich bewegt.

Bis auf die Knochen

Nahkampf verboten: The Division bietet keinen echten Nahkampf / Stealth-Kill-Aspekt. Das Fehlen eines leisen Eliminierens nervt, wäre doch toll gewesen, wenn man die Gegner auch still und leise beseitigen könnte. Diese Entscheidung der Entwickler entspricht so irgendwie nicht der Logik des Settings. Warum muss man ständig lauthals drauflosballern? Ich würde wohl in Realität tunlichst auf Lautlosigkeit setzen. Sogar Destiny bietet Stealth-Attacken, da erstaunt es doch schon sehr, dass die geistigen Väter von Assassin's Creed keine vernünftigen Meuchel-Aktionen eingebaut haben.

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Day in, day out — inside, outside: Ein unvergleichbar gewinnendes Element in The Division bildet das Wetter, welches durch ändernde Sichtverhältnisse mit Tag-Nacht-Zyklus und Schneestürmen auch Gameplay-relevant ist. Bei Sturm sehen einen Gegner weniger gut. Grandios fand ich die Wechsel zwischen Innen- und Aussenarealen — sprich Bereiche, die man nahtlos von Strasse zu Tunnel zu Wohnung zu Geschäftshaus und so weiter wechselte. Dabei gings auch mal tief hinunter in Schächte und U-Bahn-Stationen oder auf die Dächer von irgendwelchen intakten oder halbwegs zerstörten Gebäuden.

Schrauben und Blaupausen: Aus- und umbaubare Waffen und Ausrüstung bieten viel Potential für Langzeitmotivation. Man ist nicht ständig ausschliesslich auf der Suche nach einer neuen, stärkeren Waffe oder Rüstung, man freut sich auch ab einem tollen Visier, einem nützlichen Grossmagazin oder einem stabilisierenden Zusatzgriff. Dazu kommen Fähigkeitsmods, welche in hochwertige Panzerung eingesetzt werden darf. Interessantes Detail: Ubisoft hat die gleichen Farben wie Bungie für Destiny eingesetzt, was die Klassifizierung der Items angeht — weiss, grün, blau, purpur, goldgelb. So muss man sich diesbezüglich als Destiny-Veteran nicht umgewöhnen.

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Harte Fights: Die Gefechte machen haufenweise Spass, fühlen sich kernig an und sind im Team erst recht hervorragend spielbar. Ohne Deckung geht gar nix, drauflosrennen wird quasi immer mit dem Tod bestraft, übermächtig wird man diesbezüglich kaum je. Auch mit Fortschritt im Spiel bleiben Flammenwerfer, Brandgranaten oder Kreuzfeuer ungemein tödlich. Weniger flink zeigt sich die KI: Die Gegner flüchten zwar bei Unterlegenheit und stürmen genauso aggressiv bei Überlegenheit, verhalten sich aber einzeln nicht immer sehr sinnvoll. Grosso Modo jedoch gut gelöst und langfristig fesselnd, insbesondere in Kombination mit Erkundungstouren.

Umgebung mehr oder weniger formbar: Zerstörbarkeit ist vorhanden, aber leider nicht ganz so umfangreich wie gehofft. Immerhin lassen sich Fahrzeuge beschädigen und diverse Glasflächen samt Einrichtungsgegenstände «abändern». Hier hätte ich mir mehr erhofft, das Ausmass der Interaktionsmöglichkeiten ist jedoch okay. Umso mehr fragt man sich ob der vorhandenen Features, als ich z.B. von der Strasse aus durch ein offenstehendes Fenster im vierten Stock eines Gebäudes die Wohnzimmerlampe ausknipsen konnte per Beschuss, was kaum einen spielerischen Mehrwert bringen dürfte. Hingegen die Ampeln an den Kreuzungen zeigen sich als partout kugelsicher. Nettes Detail: Autos eignen sich nur bedingt als Deckungen, da man an verschiedenen Stellen durch sie hindurchschiessen kann. Feuert man von einer Seite frontal z.B. auf die Frontscheibe, tritt das Projektil an der Rückscheibe des Wagens wieder aus. Beispielsweise ist es so möglich, durch zwei Autoscheiben hindurch quer durch das Fahrzeug einen Gegner in Deckung zu treffen. Dies in einem Open-World-Setting zu verbauen — Chappeau!

Etwas zuviel Licht: Ich hätte mir gewünscht, dass es weniger Elektrizität in dem sogenannt zerzausten New York City gäbe. Irgendwie gibts immer noch haufenweise überflüssigen Strom. Schöner (aber eben auch weniger actionlastig, dafür eher Adventure-Style) wären mehrheitlich dunklere Areal gewesen, wo man z.B. mit einer Gewehrlampe navigieren muss. Dies geht jedoch logischerweise direkt entgegen der Veranlagung des Spiels, welches auch PVP und PVE-Action ohne unnötige Umständlichkeiten bieten will. Ein Kompromiss wäre gewesen, sämtliche Areale unter der Erde wenigstens konsequent dämmer-dunkel zu halten.

Die ominösen Dark Zones: Das wohl einzigartigste Feature von The Division bilden die Dark Zones. Dort tummeln sich weitere «echte» Spieler, neben den grossmehrheitlich zähen Gegnern. In diesen Bereichen findet sich die beste Beute, andererseits muss diese per Helikopter evakuiert werden. Ruft man in den dafür vorgesehenen Arealen einen Abholdienst, muss man erst mehr als eine Minute die Angriffe von KI-Gegnern und allenfalls auch echten Spielern überleben. Ob man sich gegen die anderen Spieler wendet, ist jedem selbst überlassen. Tut man dies, wird man recht hart bestraft vom System mit XP-Abzug und Markierung als «Böser Junge». Man bezahlt PVP-Kills also häufig mit dem eigenen Ableben, da ist der Trade Off mit der zusätzlichen Beute fraglich. In Sachen Spannung habe ich jedoch kaum je was Hochwertigeres gesehen. In den Dark Zones lauert nicht nur der schnelle Tod und fette Beute, sondern auch massenhaft Verzweiflung und Unberechenbarkeit.

Brillant inszenierte Endzeit

Schöne neue kaputte Welt: Die Präsentation von The Division ist absoluter Oberhammer, wechselnde Wettersituationen und Tag-Nacht-Zyklus sorgen dafür, dass kaum ein Strassenzug je gleich ausschaut, und die Missions-Settings profitieren davon ebenfalls massiv durch erhöhte Wiederspielbarkeit.

Staunen und Glotzen: Die Grafik gehört sicherlich mitunter zum Besten, was derzeit erhältlich ist für Konsolen.

Gelungene Klankkulisse: Besonders toll hört sich der Soundtrack an — zurückhaltend und pulsierend zugleich, ein wahres Meisterwerk.

Nahloses Zocken: The Division zeigt kaum Ladezeiten, sobald man sich in der Spielwelt befindet. Hier schafft Ubisoft neue Massstäbe, denn insbesondere Destiny vertröstet einen immer wieder mit minutenlangen Screens, wo man das eigene Raumschiff im All rumdüsen sieht, während im Hintergrund das Level lädt. Sowas gibts in The Divison nicht, ausser man entschliesst sich zu einem Sprung quer über die Spielwelt via Schnellreise — logischerweise muss in einem solchen Fall der entsprechende Umgebungsabschnitt geladen werden, bevor man weitererkunden darf.

Fazit

The Division ist ein gewagtes Spiel für Ubisoft: Erstmals tastet man sich an den MMO-Bereich heran, will Destiny etwas Spielzeit (und Spieler) abjagen und mit RPG-Elementen experimentieren. Das Resultat kann sich sehen lassen — wenn auch der Einstieg für manche etwas beschwerlicher sein wird als in «leichtere» Actionkost wie Destiny, so zeigt der vorliegende Titel auf Dauer einen Sog, der irgendwie erdiger und eigensinniger daherkommt als bei der Konkurrenz.

Das Erlebnis in The Division ist demnach ein «acquired taste», wie die Amerikaner die Gewöhnung an beispielsweise Rotwein nennen, also ein «erarbeiteter Genuss» quasi. Wer sich in das Spiel etwas einbuddeln mag, wird meines Erachtens reich belohnt.

Wir bedanken uns bei Ubisoft für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getesten haben wir die Ausgabe für PS4.


judgementbox
Tom Clancy's: The Division
gold_medium
Positiv

Tolles Setting und Atmosphäre, viele Customize-Optionen, satte Spielinhalte, kaum Ladezeiten, kerniges Gunplay, taktisch fantastische Kooperativ-Action, packende und toll designte Nebenmissionen, glaubwürdiges Artwork mit wenigen Ausnahmen, involvierendes Auf- und Wettrüsten

Negativ

Manches Detail im Setting scheint unlogisch, häufig ähnliche Gegnertypen, Gegner-KI nicht ideal, manchmal hakelige Steuerung — man bleibt an der Umgebung hängen da und dort, Nebenmissionen teilweise nicht sehr einfallsreich, Bestrafung von Angriffen auf andere Spieler in der Dark Zone wirkt hingepflastert und übertrieben

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Sehr gut!
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Tom Clancy's: The Division
Erhältlich für PlayStation 4, Windows PC, Xbox One
Von Ubisoft (Developer, Publisher)