HORIZON — ZERO DAWN
Testbericht | PS4

Horizon — Zero Dawn gold_medium

vor 7 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 7 Jahren

Wer hätte das gedacht: Das Balleraction-Team aus Amsterdam serviert uns eine fein abgeschmeckte Spielsensation in Form einer Sandbox. Das Schaffen von Guerrilla Games, das bisher vor allen Dingen durch erzählerische Schwächen, viele Explosionen und Grafikpower auf sich aufmerksam machte, überzeugt neu mit einem Mix aus glaubwürdigen Charakteren, rasantem Gameplay und sinnvollen RPG-Elementen. Kaum je seit Uncharted: Drakes Fortune von Naughty Dog hat eine neue Franchise auf einer PlayStation für derartige Wow-Effekte gesorgt.


Ausgestossen und zurückgekehrt

Aloy, die Hauptfigur in Guerrilla Games neustem Exklusivtitel für die PS4, wächst in prekären Verhältnissen auf. Ihr Ziehvater Rost, ein freiwillig als Einsiedler lebender Jäger, bringt ihr früh Disziplin und Achtsamkeit bei. «It is one thing to hunt a beast, it is another to hunt a machine» ist eine seiner wichtigsten Devisen. Und fürwahr: Die Jagd nach Wildtieren gestaltet sich wesentlich einfacher als der Kampf gegen Maschinen. Sehr früh im Spiel trifft man in der riesigen Spielumgebung auf kleines Wild, das recht einfach zu jagen ist, und auf grosse bis gigantische maschinelle Imitationen von Tieren und Sauriern. Es macht den Anschein, als wären alle grösseren lebenden Wildtiere von mechanischen Pendants verdrängt worden.

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Aloy, die Frage nach ihrer Herkunft und das Rätsel um den Ursprung der Mecha-Tiere bildet das Kernthema der Geschichte von Horizon Zero Dawn aus der Feder des Fallout New Vegas-Autoren John Gonzalez. Die Handlung treibt den Spieler voran und gehört sicherlich zum Besten, was in dieser Konsolengeneration zu haben ist bisher.

Aloy, die sich auf der Suche nach der eigenen identität befindet, ist eine fassbare Hauptfigur, die einem klassischen Coming-Of-Age-Roman entnommen sein könnte. Die Wahl einer jungen Frau als als Protagonistin ist erfrischend anders und macht durchaus Sinn. Die Geschichte birgt eine äusserst dynamischen Storybogen mit vielen Twists, überraschenden Wendungen und einer grossen Portion Spannung.

Die Zeit — respektive die genaue Jahrzahl — der Handlung bleibt unbekannt, manche bezeichnen sie als post-post-apokalyptisch. Die menschliche Zivilisation ist längst untergegangen, man findet Daten-Fragmente und Hinweise auf die 2060er Jahre später im Spiel. Auf Entdeckungsreise in den Ruinen der alten Zivilisation findet Aloy Anzeichen auf eine Art Seuche oder Krieg, der die Menschheit zum Opfer gefallen ist, dies wird sehr früh im Spiel klar. Der Grund für den Untergang der High-Tech-Zivilisation ist eines der weiteren Rätsel des Spiels, neben der Existenz der merkwürdigen Mecha-Wesen. Schauplatz der Handlung ist eine Gegend auf der Südhalbkugel — wo genau die Reise hinführt, darf jeder selbst rausfinden.

Eine nahezu perfekte Mischung

Horizon Zero Dawn spielt sich wie ein Mix aus Heavenly Sword, Red Dead Redemption und Uncharted, abgeschmeckt mit einer Prise Dead Space. Die Controls zeigen sich federleicht, die tollen Fights bleiben lange in Erinnerung. Rasante Jagden wechseln sich ab mit Versteckspiel, unterschiedlichste Taktiken zur Feindbekämpfung sind gefragt. Manche grosse Gegner in kleinen Gruppen sind fast unbesiegbar ohne die richtige Herangehensweise. Manche gemischte Fights mit menschlichen und maschinellen Gegnern werden zum regelrechten Schlachtgetümmel, während andere Begegnungen mit einzelnen, Mini-Boss-artigen Mecha-Opponenten sich wie epische Duelle anfühlen.

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Der Titel zeichnet sich durch eine sehr gute Menüführung mit Hauptquest, Nebenaufgaben und Serien-Quests samt Sammelitems aus. Viele verschiedene Waffen und andere Items, Beute-Objekte und «Rohstoffe» bieten sinnvoll weitreichenden Spielraum für eigenes Wirken. Man darf Zeugs basteln, Items aufwerten, seltenere Ausrüstung finden oder kaufen und natürlich laufend in Kämpfen neue Tests mit irgendwelcher frischer Bewaffnung durchführen.

Ein besonders gelungenes Detail fand ich die Reittiere. Sie sind gerade ausreichend umständlich zu finden und zu «zähmen», quasi perfekt umgesetzt in der Verwendung und fordern dem Spieler nicht unmögliche Umwege ab. Die Reise auf dem Rücken eines Pferde-Imitiates ist wesentlich angenehmer als ständig zu Fuss rumzurennen. Sowohl in Sachen Feinheit der Controls als auch hinsichtlich Ferndistanz-Überbrückung sind die Reittiere kaum je besser umgesetzt worden in einem Spiel. X drücken schaltet quasi einen Gang hoch (maximal drei Trabspeeds), O drosselt einen Gang runter. Selten ist das Wenden ein Problem, nur leider kann man die Robo-Esel nicht zu sich rufen. Diese Funktion, beliebt aus Skyrim oder Red Dead Redemption, fehlt hier leider komplett.

Die Tatsache, dass Guerrilla Games (vermeintlich) ohne Erfahrung im Openworld-Bereich hier auf die Beine gestellt hat, übertraf meine Erwartungen bei Weitem. Um ehrlich zu sein: Bei allem Qualitätsbewusstsein und toller Optik in der Vergangenheit, durch die sich das Studio auszeichnete, waren Storytelling und stimmige Charakteren nicht die Stärken der Truppe. Mit Aloy und weiteren Figuren haben die Amsterdamer endgültig bewiesen, dass sie zu den ganz grossen im Business gehören.

Schön auf PS4, brillant auf PS4 Pro

Was soll man dazu noch sagen: Wer eine PS4 Pro zuhause stehen hat, profitiert von 4K-Auflösung (bei passendem Fernseher), HDR-Grafik und toller Gesamtoptik. Ich für meinen Teil genoss die Full HD-Auflösung mit erweiterten Effekten sehr und kann kaum beschreiben, wie feingliedrig und stimmungsvoll diese Pracht einer Spielgrafik daherkommt. Am besten selber anschauen, viele Worte sind hier überflüssig.

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Ob man es glauben mag oder nicht, Tatsache ist, dass Horizon Zero Dawn eine Spielwelt in Brillanz und Detailreichtum annähernd eines Uncharted 4 bietet, und das ohne Tunnel und Gassen. Hier darf man beim freien Erkunden den Vogelschwärmen am Himmel folgen und die glitzernden Fluten queren.

Fazit

Als ich die ersten News und Bilder von diesem Titel gesehen habe, war ich wenig begeistert. Auch die ersten bewegten Bilder machten aus mir keinen Vorfreude-Tank. So kann man sich täuschen: Horizon Zero Dawn ist einer der besten Titel für PS4, ich bin sogar geneigt zu sagen, eines der besten Spiele aller Zeiten.

Horizon Zero Dawn bietet absolut einzigartige Spielmomente und eine tolle Story, die immer wieder begeistert und erstaunt. Das Entwicklerteam hatte ganz offensichtlich Spass bei der Arbeit, und das kommt voll rüber.

Das Gameplay zeigt sich nahezu makellos und smooth, alles fliesst sanft dahin und wird hie und da von Tempowechseln angenehm durchbrochen. Es gibt keine allzu verirrungsgrossen Areale zum Start, die gehaltvolle Atmosphäre und die steigenden Optionen zur Entfaltung überzeugen durchwegs — so geht Open World richtig.

Wenige Kritikpunkte stehen einem rundum gelungenen und erinnerungswürdigen Gesamterlebnis gegenüber, das einem so schnell nicht mehr loslässt. Wer das erste Mal auf dem Kopf eines turmhohen Giraffo-Mechano-Saurus steht, wird wissen, wovon ich spreche.


judgementbox
Horizon - Zero Dawn
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Positiv

Packende Story, glaubwürdiger und sympathischer Hauptcharakter in Gestalt von Aloy, unglaublich detailreiche Animationen und Grafik, stimmiger Soundtrack, fesselnde Gefechte gegen Maschinenwesen, viele Ausbaumöglichkeiten für Items und Skills ohne zu überborden, smoother Titel mit Dutzenden von Stunden Unterhaltungspotential

Negativ

Handling der Kamera kann in der Sensibilität nicht verändert werden, nerviger Umgang mit Modifkationen bei Waffen und Ausrüstung (nicht direkt per Kontextmenü zugänglich), Fast Travel beschränkt durch Items macht wenig Sinn, Gesichtsanimationen in Zwischensequenzen teilweise etwas durchzogen

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Gibt's nicht.
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Horizon - Zero Dawn
Erhältlich für PlayStation 4
Von Guerrilla Games (Developer), Sony (Publisher)