FAR CRY PRIMAL
Testbericht | PS4 | PC | Xbox One

Far Cry Primal

vor 8 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 8 Jahren

Ubisoft «versteinert» seine Far Cry-Serie mit einem Eintrag der etwas anderen Art. Für einmal jagen wir Wildhunde, Säbelzahntiger, Nashörner und gar Mammuts. Mehr noch: Wir greifen gegen feindliche Stämme durch und basteln uns allerhand Pfeile und Köcher, sammeln Wenja-Leute ein, die sich verlaufen haben, und erobern das Land für den den eigenen Stamm. Lohnt sich der Ausflug in die graue menschliche Vorzeit?


Von Bärenjägern und Ohrensammlerinnen

Wir schreiben das Jahr 10'000 vor Christus, die menschliche Zivilisation steckt noch in den Kinderschuhen und das Land strotzt von wildem Getier. Mittendrin erwacht der Hauptcharakter Takka nach einer misslungenen Mammutjagd aus dem Fluchtabsturz-bedingten Koma. Sein mit ihm abgestürzter Kumpel ist tot, die anderen zwei wurden bereits vorher Opfer der waghalsigen Action. Takka aka. der geneigte Spieler ist ein Mitglied des Wenja-Stammes, welchen es fortan zu hegen und zu pflegen gilt. Stammesangehörige wollen gerettet, gefunden, geführt und beschützt werden. Tatsächlich wird man so zum gefürchteten Landstrich-Eraser, denn statt das Gespräch zu suchen, werden feindliche Stammesleute stets und konsequent dahingemäht. Warum auch reden, wenn man Steinäxte hat? Aber dazu mehr weiter unten.

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Unterstrichen wird Takkas Geschichte von einer Handvoll weiterer Charakteren in Form von Fährtenleserinnen, Schamanen, Jägern und sonstigen Steinzeitprofis mit illustren Namen. Alle parlieren in einer fiktiven Sprache daher, welche gemäss Ubisoft in wissenschaftlich hergeleiteter Manier kreiert worden ist exklusiv für das Spiel, und zwar aus proto-indogermanischen Lauten. Dieser Aspekt hat mir sehr gut gefallen, man fühlt sich echt wie unter Naturvolk-Passanten.

Die Hauptgeschichte von Primal ist jetzt nicht unbedingt das Mass aller Reisserdinge, vieles ist vorhersehbar, und die Widersacher in Form anderer Stämme erscheinen etwas flach und schablonenhaft. Was ist deren Motivation? Wieso gibt es keine Option für Kooperation zum eigenen Nutzen? Hier ist einiges an Potential zugunsten einer simplen Action-Haudrauf-Sause verloren gegangen. Allianzen mit Option zur Hintergehung wären irgendwie spannender gewesen, oder ein nochmals grösseres unvorhersehbares Unheil, welches man hätte gemeinsam bewältigen müssen. Die Story von Far Cry Primal hält jedoch keine grossartigen Überraschungen bereit, abgesehen von der Serie-üblichen Minimikro-Wendungen.

Es gibt aber auch hie und da überaschende, witzige Szenen: Einmal stolperte ich über einen «feindlichen» Stammesanhänger der Udam, der sich im Gebüsch mit zwei Neanderthalesisch anmutenden Frauen gleicher Bauart (ansatzweise) in nicht ganz klar ersichtlicher Manier «unterhielt». Was sie da genau trieben, war schwer erkennbar aufgrund des Überraschungsmomentes. Amüsant war es alleweil. Generell wäre ein ehrlicher Umgang mit freier Liebe gerade in diesem Setting wohl angebrachter, als künstliche US-amerikaneske Prüderie. Witzigerweise ergriffen die beiden Damen die Flucht hinter den nächsten Baum, während der männliche Widersacher sich gegen mich stellte, was er bald mit dem Tod bezahlte. Zwangsläufig, denn eine Option für Gefangennehmen, Laufenlassen oder ähnliches gibt es nicht.

Schade finde ich in dieser Hinsicht auch das Faktum, dass man sich kaum mit den eigenen Dorfbewohnern auseinandersetzen kann, dass kaum Dialogoptionen bestehen, ausser dem Besprechen von Nebenmissionen und Hauptquests. Wieso nicht das Thema soziales Gefüge und Liebeleien auch hier einflechten? Ein wenig à la Dragon Age Inquisition oder The Witcher 3 vielleicht? Merkwürdig stimmt auch die Tatsache, dass man sich nicht aussuchen kann, ob man als Spielfigur eine Frau oder einen Mann wählen möchte. Gerade die bedeutende Rolle von Sayla, der ersten Gefährtin und Fährtenleserin / Heilerin, der man im Spiel begegnet, spricht durchaus auch für eine weibliche Hauptrolle als Wahloption.

«Männlich» ist in den Augen der Entwickler in Montrela wohl = «blutig». Generell dünkt mich die überbordende Brutalität in manchen Passagen ein wenig widerlich. Da wird geschlachtet und gemetzget was das Zeug hält, wo es doch spannender wäre, etwas dosierter damit umzugehen. Wieso haben die Designer die Welt mit dermassen vielen eher dümmlich rumrennenden Gegnern gefüllt? Um den Spieler bei Laune zu halten? Dies wirkt einfach nicht plausibel. In der Steinzeit war die Bevölkerungsdichte sehr mager, der Verlust eines Mitstreiters oder das Niederringen eines (menschlichen) Gegners dürfte eine grosse Bedeutung gehabt haben. Dies hätte man besser in das Spiel übertragen können meines Erachtens. So wirkt das Ganze ein bisschen zu banal und die gegnerischen Stammesangehörigen verkommen zu Steinzeit-Robos in Form von Udams und Izilas.

Gehauen oder gestochen

Primal bietet viel Bogenschiessen, Töten, Sammeln, Exploring und Basteln. Das Gameplay macht zum Einstieg Spass, wird aber allzu schnell repetitiv. Ubisoft beweist Mut mit diesem Einzel-Release als Grundsatzentscheid, ein Spielsetting in grauer Vorzeit. Andererseits fehlt dann doch ein wenig der Mut im Detail, um einen wirklich durchschlagenden Erfolg zu verbuchen als Spielerlebnis auf Dauer. Es kommt nicht selten vor, dass einen das Gefühl des «been there, done that» beschleicht, wenn man einige Far Cry-Games der letzten Jahre durchgespielt hat. Hier gibts einfach keine Knarren, und alles scheint irgendwie erdiger, unmittelbarer. Aber etwas fehlt. Schwer zu erklären, was genau dieses Gefühl auslöst, aber es ist unweigerlich vorhanden in manchen Passagen.

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Nehmen wir den fehlenden Coop-Modus: Ein Online-Multiplayer für Mammutjagden wäre doch grandios gewesen. Eine taktisch kluge Vorgehensweise ist für die Grosswildjagd unabdingbar, das passt gut zu Teamwork mit echtmenschlichen Mitstreitern. Würde passen muss man sagen, denn es ist ja nicht drin im Spiel.

Merkwürdig erscheint angesichts des Settings auch die Minimap à la GPS. Es wäre auch hier eben gerade sinnvoll gewesen, auf die Urzeit-Verhältnisse Rücksicht zu nehmen und eine alternative Form der Navigationshilfe zu erfinden. Vielleicht mit Richtungsangaben in Form von Pfeilelementen, oder halt einfach per Orientierungsvermögen des einzelnen Spielers. Das Gefühl des Aufgehens in der Spielwelt bedingt eine Aufgabe von manchen «Stützrädern» — wie beim Fahrradfahren.

Positiv zu vermerken gilt es den Aspekt, dass man trotz fortschreitendem Skill-Level nie als Spieler zum Halbgott wird. Egal wie «stark» man wird, egal wieviel man weiss, egal welche Ausrüstung man trägt — die Erlegung eines Mammuts ist und bleibt eine Aufgabe, welche schnell in einem Mousse au Takka enden kann.

Den Grossteil des Spiels verbringt man mit dem Erkunden der (sehr hochwertig gestalteten, atmosphärisch dichten) Spielwelt. Dabei sammelt man so ziemlich alles und jedes, das einem über den Weg wächst oder läuft, und bastelt daraus laufend Pfeile und anderes Utensilien-Gedöns. Man findet im Spiel kaum je fertige, gute Waffen, man findet jeweils den Skill, um diese selbst herzustellen. Dafür dürfen per Levelaufstieg eingesammelte Fertigkeitspunkte vergeben werden, basierend auf dem Spielfortschritt und der Versammlung von Hauptfiguren im eigenen Dorf. Der Schamane bringt uns bei, wie man Tiere zähmt, andere geben uns Tipps für die Jagd.

Säbelzahnkäfig auf der Nashornplatten-Terrasse

Ein Teil des Gameplays bezieht sich auf das Mikromanagement des eigenen Dorfes, wenn es dann mal steht. Ein anderer Teil, das wohl spektakulärste Feature im Spiel, ist das Zähmen wilder Tiere. Zu Beginn ein weisser Wolf, später sogar Tiere mit Reitoption. Es fühlt sich schon toll an, auf einem gröberen Vierbeiner-Töff durch die Gegend zu donnern, keine Frage. Die eigentliche Zähmerei ist jedoch sehr trivial gehalten und verlangt kaum mehr als die nötigen Skilltree-Freischaltungen.

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Die Interaktion mit den Tieren fühlt sich näher und wirklicher an, als jene mit den eigenen Dorfbewohnern, was doch etwas erstaunt. Nichts desto trotz ist diese Gameplay-Innovation für ein Openworld-Spiel durchaus einen Proberitt wert.

Interessant an den Wildtieren ist die Option, diese in den Kampf zu schicken mit einfachen Kommandos. So gehen einem da und dort mal paar Erfahrungspunkte flöten, aber damit kann man leben. Kills durch das Haustier zählen weniger als eigene Weidmannsheil-Action.

Weniger gut mithalten kann der Nahkampf. Ich warte immer noch auf einen Titel, der das Thema Nahkampf und First Person sinnvoll umsetzt. Dies ist zugegebenermassen keine einfach Aufgabe, aber besser als Elder Scrolls und Far Cry plus Konsorten dürfte doch drinliegen. Bungie hat dies in Destiny nicht schlecht gelöst, schaltet aber für Schwertkampf in die 3rd Person-Perspektive, ansonsten weit und breit nur Halbfertiges. Man tut sich also in der virtuellen Steinzeit einen Gefallen, Wildtiere und böse Stammesmenschen feindlicher Art erst gar nicht an sich rankommen zu lassen, sondern diese aus der Distanz niederzustrecken.

Drei Nasenlöcher für ein Halleluja

Der Obermotz des einen Feindstammes verfügt über ein Bonus-Nasenloch, daher der Titel. Man verzeihe mir diesen kleinen Spoiler. Die Anmerkung steht für die Detailversessenheit, mit welcher die Charakteren, die Umgebung, die Items und eigentlich jedes Baumblättchen im Spiel gestaltet sind.

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Immer wieder kommt man auf eine Anhöhe oder in ein lauschiges Tal mit dahinplätscherndem Flüsschen und staunt angesichts der schieren visuellen Pracht der Spielwelt. Der Soundtrack hält sich angenehm zurück, die Natur ist hör- und spürbar. Das ist auch nötig, denn ständig droht einem der Tod durch Zerfleischen, Niedertrampeln oder Vergiftung, wenn man nicht aufpasst.

Fazit

Ich habe mich schwer getan mit einem Verdikt. Far Cry Primal bietet einige interessante neue Aspekte in Sachen Charakteren, Story und Umgebungsdesign — leider setzt es im Kerngameplay zu sehr auf altbackene, hundertmal gesehene Mechanismen.

Ich würde sagen, dass ein kleines «Minus» hinter dem «Sehr gut» eher den Nagel auf den Kopf trifft, was die Wertung angeht. Far Cry Fans müssen hier zugreifen — Openworld-Afficionados dürfen mitspielen, müssen aber nicht. Actionfans kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten und werden ihren Spass haben mit der Steinzeit-Metzgerei.

Alles in allem ein lobenswerter Versuch, weitgehend unbegangene Pfade in Sachen Setting und Spielwelt zu beschreiten, auch wenn dieser nicht in jeder Hinsicht als gelungen zu betrachten ist.

Wir bedanken uns bei Ubisoft für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getestet haben wir die Version für PS4.


judgementbox
Far Cry Primal
Positiv

Schöne Spielwelt, glaubwürdiges Setting, kernige Action, Jäger und Sammler kommen voll auf ihre Kosten, packende Atmosphäre, solides Erkundungs-Gameplay, innovative Waffen, witzige Wildtier-Zähmungs-Elemente

Negativ

Tendenziell repetitives Spielerlebnis, etwas flache Gegner mit wenig ausgeprägter KI, mutiges Setting mit etwas weniger mutiger = innovativer Gameplay-Ausprägung, etwas viel klassisches Far Cry in Steinzeitverpackung

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Gibt's nicht.
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Far Cry Primal
Erhältlich für PlayStation 4, Windows PC, Xbox One
Von Ubisoft (Developer, Publisher)