[UPDATED PS4] TOMB RAIDER
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[Updated PS4] Tomb Raider gold_medium

vor 10 Jahren von DN

Die letzten Jahre waren hart für Lara und die Tomb Raider-Franchise. Es wollte einfach keines der Games so richtig gut gelingen. Zwar spielte sich Lara Croft And The Guardian Of Light — der Ausflug in Kooperativ-Gefilde — ganz okay, aber es war halt kein «richtiges» Tomb Raider. Mit dem Reboot der Franchise wagt sich Crystal Dynamics ans Werk und mir persönlich blieb auf weiten Strecken nur eines übrig: Ganz grosses Staunen.


[Updated] Unser Eindruck zur Definite-Version auf der PS4

Die erste halbe Stunde der neu aufgelegten Lara Croft schaut abgesehen von der höheren Auflösung nicht besonders spektakulär aus. Crystal Dynamics scheint den Einstieg in das Spiel, was wir bereits in den alten Versionen bemerkt haben, bewusst subtil gehalten zu haben. Umso grösser ist der Boah-Effekt zu dem Zeitpunkt, wo man zum ersten Mal in den Wäldern der Insel und später in alten Tempeln umherstreift.

Die höher aufgelösten Texturen, die weiche Framerate und die filigranen Bewegungen der Hauptfigur machen ordentlich was her. Alle Charaktermodelle haben merklich zugelegt in Sachen Details. So direkt ab Scheibe hat Lara wohl kaum je besser ausgesehen, auch nicht auf PCs, mal abgesehen von zusätzlichen Mods, welche natürlich auf Windosen mächtig grafischen Schub nachliefern.

Die PS4-Version wartet im Vergleich zur PS3-Version mit neuen Partikeleffekten und frischem Post-Processing auf. Die visuellen Neuerungen sind insbesondere im späteren Verlauf des Spiels augenscheinlich und machen ordentlich Laune.

Etwas unter den Erwartungen dürfte der Gesamteindruck für diejenigen bleiben, welche bereits einmal auf der Insel rumgeirrt sind auf vorherigen Konsolenversionen. Es gibt kaum neue Inhalte, und die aufgepeppte Grafik wirkt zwar schön, kann aber mit grafischen Top-Titeln wie Killzone oder inFamous nicht mithalten.

Fazit: Wer Lara Croft noch nicht gespielt hat, sollte sich definitiv die PS4-Version holen. Wie bereits bei Assassin's Creed 4 kriegt man allerdings den Eindruck, dass die Entwickler die alte Sause einfach etwas aufpoliert haben, ohne wirklich einen Knaller-Effekt oder grossartige Neuerungen hinzuzufügen. Ob das zu erwarten war, darf man natürlich in Frage stellen. Einen Tick mehr grafische Brillanz wäre allerdings schon noch drin gelegen, gerade gemessen daran, dass Tomb Raider kein astreines Openworld-Spiel ist.


Deep, down and dirty

Lara Croft hat wahrlich nichts zu lachen. Der Einstieg in das neue Abenteuer, welches chronologisch gesehen vor den anderen (und teilweise eher mässig guten) Einträgen in die Serie spielt, ist nichts für zarte Gemüter. Verwundet, halb ertrunken und geknebelt - so hat sich unsere Forscher-Powerfrau ihren Ausflug in den Pazifik wohl nicht vorgestellt.

Die Reise beginnt auf hoher See, und führt in der Folge auf eher unangenehmen Wegen zur Strandung auf einer geheimnisvollen Insel. Lara und ihre Crew waren auf der Suche nach den mysteriösen Gefilden von Yamatai, welches mehr Legende als nachgewiesen existierendes Phänomen ist. Eine japanische Herrscherin des Altertums mit ihrem Gefolge soll besagtes Reich begründet haben, bei welchem die Verehrung des weiblichen Oberhauptes in Gestalt einer Sonnenkönigin eine wichtige Rolle spielt.

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Ob an den Sagen etwas dran ist, darf man gerne selbst rausfinden, indem man Lara für die anderthalb Dutzend Stunden über die Schulter schaut. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, bloss dass auf der unwirtlichen Insel auch noch ein bedrohlicher Sektenkult sein Unwesen treibt, und dass während dem zweiten Weltkrieg — wie könnte es anders sein — auch schon die Nazis und japanische Truppen ihr Unwesen getrieben haben. Nach und nach entfaltet sich ein stimmiges und actiongeladenes Szenario, welches von einer ernsthaften und streckenweise hochdramatischen Geschichte umschlungen wird.

Im Kern dreht sich alles um Lara, ihre Ängste und Sorgen, und davon hat sie ständig mehr als genug. Man fühlt mit Lara mit, wie sie frierend am Feuer sitzt, neue Hoffnung hegt und um's nackte Überleben kämpft. Sie wirkt dabei stets wie eine tapfere junge Frau, nicht wie ein heruntergekommenes Sex-Symbol, zu welchem sie in manchen filmischen und gametechnischen Umsetzungen verkommen war. Lara kommt fassbar und vor allen Dingen nahbar rüber, schon fast verletzlich in ihrer Verzweiflung. Ihr bleibt aber auch gar nichts erspart. Sie wird mehrfach verwundet, muss sich mit einem glühenden Pfeil behelfen um offene Wunden zu versiegeln, sie wirkt zerbrechlich in der rauhem Umgebung der Insel. Es gibt manche Passage, wo sie gebückt und blutend durch die Gegend streift, auf der Suche nach Heilung ihrer schwersten Wunden.

Dass Lara im Verlauf der Handlung auch ein paar Verbündete auf manch brutale Art verliert, stimmt ein in den Tonus des Spiels, welches den Spieler und somit Lara vor nichts verschont. Selten hat sich ein Videogame-Charakter dermassen lebending angefühlt, sowohl im Triumph, als auch im Verlust. Und auch Lara stirbt garantiert ein paar brachiale Tode, die man als Spieler vor dem Screen mit einem jähen «Ächz» quittieren wird, wie wenn man gerade höchstpersönlich von einer langen Holzstange am Hals aufgespiesst worden wäre.

Wenn man etwas spitzfindig sein will, so muss man leider konstatieren, dass Lara Croft als Archäologin oder als Anthropologin leider überhaupt nichts taugt. Hinter ihr bricht alles zusammen, es knallt und brennt, und was bisher noch Bestand hatte, wird wohl erst in ein paar Hundert Jahren von irgendwelchen Ausgrabungen wieder zutage gefördert. Aber eben. Lara ist ja mehr Schatzjägerin als politisch korrekte Wissenschaftlerin, so gesehen können wir ihr die weitreichende Zerstörung von altertümlichen Schätzen gerade noch so verzeihen.

Ein tropisches Paradies?

Mitnichten. Die Insel ist eine einzige Todeszone voller scharfer Klippen, tiefer Abgründe, tödlicher Gegner, schwindelerregender Kletterpassagen und feuchtkalter Tunnel ohne Tageslicht. Die alten Bunker, Festungsanlagen, Schiffwracks und Tempelanlagen sind vorrangig in Grau-, Braun- und Anthrazit-Tönen gehalten, welche einen schönen Kontrast bieten zu den toll animierten Fackeln und sonstigen Feuerquellen. Dies passt zur bedrohlichen und «abgestorbenen» Umgebung des Eilandes, welches sich nicht durch schöne Strände und angenehme Temperaturen auszeichnet. Oft regnet es, und Lara's Reaktion mit Zittern und die-Arme-um-sich-schlingen verraten eine gefühlte Ingame-Temperatur von um die 10, 15 Grad.

Der Übergang der Animationen im Spiel wirkt nicht ganz so weich und zart wie in Uncharted, dafür wirkt Lara noch lebendiger als Nathan Drake. Neben Kommentaren und Bemerkungen vollführt sie fein geliederte Bewegungen, die Augen suchen ständig die Umgebung ab — kurz: Die Spielfigur wirkt alles in allem einfach extrem lebhaft und glaubwürdig, was zu oben genannten Eindrücken beiträgt. Man hat nie das Gefühl, man steuere einen Polygon-Roboter durch die Gegend, sondern ein schon fast ansatzweise lebendiges Digital-Wesen mit eigenen Emotionen.

Die Spielwelt und die gesamte Präsentation kann sich sehen lassen und wartet mit schöner Fernsicht, zahlreichen Lichtspielen und grosser Dynamik auf. Verschiedene Wetter- und Elementareffekte lassen öfters ein Staunen auf dem Gamergesicht aufblitzen. Insbesondere die Flammen- und Feueranimationen sind etwas vom Schönsten, was man in der Hinsicht jemals in einem Videospiel zu sehen bekommen hat.

Das Salz in der Abenteurer-Suppe

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Das facettenreiches Gameplay mit vernünftiger Tiefe, ohne in Rollenspiel-Dimensionen abzudriften, hält von Beginn weg bei Laune. Das Spiel weist ein sinnvolles Mass an Metroidvania auf. Mit neu aufgefundenen oder zusammengebauten Gegenständen lassen sich zuvor nicht erreichbare Areale betreten. Dies hält die Motivation zusätzlich oben und bringt Variation in's Spiel. Man erhält laufend neue Waffen, oder neue Versionen der bestehenden vier Haupttypen, und diese ermöglichen wiederum neue Optionen zur Aufrüstung von Schaden, Präzision, Reload-Time und so weiter.

Ein besonders cooles Feature: Gefundene Relikte und Artefakte können untersucht werden, und bei genauerer Betrachtung findet Lara ab und zu Hinweise auf den Hintergrund und den früheren Gebrauch der Gegenstände. Diese einfache Idee sorgt für unglaublich viel Tiefe. Dazu kommt, dass die Items mit viel Liebe für's Detail und einiger Selbstironie kreiert wurden (die billige Porzellan-Vase made in China lässt grüssen).

Der komplette Durchlauf im neuen Tomb Raider gestaltet sich genussvoll, quasi ohne Hänger oder Längen. Das gilt für die Action wie auch für die Knobel-Abschnitte: Meist trifft man auf sinnvolle Umgebungs-basierte Rätsel, oft im Zusammenhang mit bestimmten Items lösbar, die man dabei hat. Oder mit verschiedenen Elementen wie Feuer, Wasser oder Luft, welche durch bestimmte Aktionen gesteuert oder entfacht werden wollen.

Die Gefechte sind knackig gemacht und machen fast noch mehr Spass als in Uncharted. Die sehr variable Bewaffnung lässt dem Spieler viele Freiheiten und offenbahrt zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten. Die Szenerien, in welchen die Gefechte stattfinden, lassen häufig Stealth-Kills als auch Ramba-Zamba mit Explosionen zu, man darf also je nach Vorliebe vorgehen. Belohnen tut einen das Spiel tendenziell für Stealth-Kills, es ist aber auch nicht verboten ab und zu mal ordentlich draufloszuballern.

Überall auf der Insel finden sich Lagerfeuer und sogenannte Day Camps. An diesen Rastplätzen lassen sich Skillpoints verteilen, um Lara noch agiler und widerstandsfähiger zu machen, oder Waffen mit gesammelten Einzelteilen aufpimpen. Manche grössere Camps erlauben auch Schnellreisen, um Areale erneut zu besuchen und genauer unter die Lupe zu nehmen. Nicht alle Lagerfeuer ermöglichen diese Option.

Fazit

Man verzeihe mir den direkten Vergleich, aber das neue Tomb Raider ist das beste Uncharted. Dies mag merkwürdig klingen, ist aber so. Denn ohne die Uncharted-Reihe hätte es Lara Croft in der vorliegenden Form nie gegeben, und andererseits hat Crystal Dynamics so ziemlich jedes Gameplay-Feature aus Uncharted auf die Spitze getrieben und perfektioniert.

Lara's neustes Abenteuer ist sehr nah an dem, was man gemeinhin als perfektes Videogame bezeichnen würde. Die Story ist spannend, die Charakteren glaubwürdig, die Handlung ernsthaft genug und das Gameplay abwechslungsreich. Gepaart mit satten Controls und wunderschönen Animationen, welche sich in eine reichhaltige Spielwelt einfügen wie Butter auf warmes Brot, ist Tomb Raider 2013 ein Spiel, welches kein Gamer verpassen sollte.

Den überflüssigen und wenig unterhaltsamen Multiplayer-Modus darf man sich hier getrost zugunsten eines zweiten Durchspiels oder zugunsten genauerer Durchforstung der Insel im Singleplayer-Modus sparen.

Wir bedanken uns bei Square Enix für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getestet haben wir die Ausgabe für PlayStation 3.


judgementbox
Tomb Raider
gold_medium
Positiv

Tolle Grafik, glaubwürdige Charakteren, spannendes Gameplay, sinnvolle Waffen-Upgrades und motivierendes Erfahrungssystem, interessante Räume und lösbare Rätsel mit viel Originalität, vielfältige Kämpfe und mannigfaltige taktische Möglichkeiten, agile Spielfigur

Negativ

Manche Quicktime-Events nerven, überflüssiger Multiplayer-Modus, manche Gegnertypen kommen etwas häufig vor

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Nur für Fans.
Du kannst DN, den Autor dieses Beitrags, über seine Kontakt-Seite erreichen.


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Tomb Raider
Erhältlich für PlayStation 3, PlayStation 4, Windows PC, Xbox 360, Xbox One
Von Crystal Dynamics (Developer), Square Enix (Publisher)