NAIL'D
Testbericht | PS3 | Xbox 360

Nail'd

vor 13 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 9 Jahren

«Okay, Techland, das ist ein Motorstorm-Klon» möchte man gleich als erstes lauthals losplärren. Menüs, Typografie, Schriftwahl, Fahrfeeling, Soundtrack — vieles verweist auf den grossen (oder kleinen) Bruder aus dem Hause Evolution Studios. Kann der polnische Herausforderer im Offroad-Dreck gegen den bisherigen Staubkönig bestehen?

Speed hoch 2

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Nail'd, das Spiel mit dem merkwürdigen Namen, beschränkt sich bei seinen Rennerqualitäten auf Quads und Motocross-Bikes. Das hat Vor- und Nachteile: Cool sind sicherlich das Speed-Feeling, die verschiedenen Optionen für An- und Ausbauten und die übertriebenen Jumps, die mit grösseren Gefährten aufgrund der Grind- und Slide-Unfähigkeit wohl nicht umsetzbar wären. Schade aber trotzdem, da liebgewonnene Darlings wie ein Rallye-Wagen oder Monstertrucks (zumindest wegen ihres Erscheinungsbildes) komplett fehlen. Die Fights gegen die Widersacher sind aufgrund der Absenz von diversen Fahrzeugklassen weit weniger witzig als in anderen Racern. Motorstorm hat hier klar die Nase vorn mit tollen Gegnerfights und Blechschrott, muss dafür mit weniger Speed auskommen.

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Steht es doch aber im Titel ganz fett, räumt Nail'd beim Speed einfach total ab. Die Raserei durch wilde Sumpflandschaften und Wälder der Quasi-Rocky-Mountains beispielsweise machen super viel Spass. Das erste Szenario, Arizona, kann da nicht ganz mithalten. Zwar sind die umherfahrenden Züge und einige andere Special Effects ganz nett, aber gegen das zweite Setting können die quasi nichts ausrichten. Auch die weiteren Settings wie Griechenland, oder die Anden, bieten wesentlich mehr als die eher monotonen Staubtracks des ersten Events.

Erstaunlich im negativen Sinn ist die quasi aus Motorstorm kopierte Rennergebnis-Darstellung. Die Techland-Polen haben scheinbar nicht genügend eigene Ideen für eine Farb- und Schriftwahl aufbringen können — oder man sieht Nail'd als Ode an Motorstorm mit ausgebautem und überdrehtem Quad- / Motocross-Teil. Geht zur Not auch, ich bleibe bei ersterem Eindruck.

Zurück zum Renngeschehen. Nicht nur der Speed in Nail'd. ist übertrieben, auch die unmöglichen Schräglagen und 20-Sekunden-Sprünge mit grossen Segelohren wirken schon fast comic-mässig. Auf jeden Fall sprechen wir hier von Arcade, alles andere wäre blass. Bloss ist die Zeit der echten grossen Arcade-Racer ein klein wenig vorbei, und das merkt man auch dem modern-antiquierten Nail'd etwas an. Es gibt keine grossen Akrobatikübungen in der Luft, keinen Splitscreenmodus, und manche Rennen werden ein bisschen zu einer öden Angelegenheit. Wettgemacht wird die eine oder andere Schwäche dafür wieder mit tollen Ideen und abgefahrenen Flügen quer über Kräne, Brücken und sonst alles mögliche.

Über die Schulter gehts kopfunter

Leider fehlt auch, ausser im einigermassen coolen Replay-Modus, die Egoperspektive. Oh Mann! Ein Spiel, das dermassen auf Speed setzt, wäre doch einfach unglaublich 200% dafür gemacht. Die ganzen Schräglagen, Megajumps und Boostsektionen müssen so halt leider in reinem «Zuschauer-Blickwinkel» absolviert werden. Wer Racing-Games immer so zockt, wird sich daran nicht stören. Ich gehöre zur Sorte Bugspoiler-Junky, und musste also mit der Aussenansicht Vorlieb nehmen.

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Wenn wir gerade bei der Perspektive sind: In manchen Rennmomenten verwischt die Optik derart stark, dass es an Glück und Intuition hängt, ob man gleich pulverisiert wird oder nicht. Hier muss Nail'd gegenüber der Konkurrenz ganz klare Abstriche hinnehmen, die Grafik ist teilweise schon fast beängstigend nahe an 480p. Für einen Dezember-2010-Release auf jeden Fall ungenügend.

Die Streckenführung ist solange kein Problem, wie man den Flow beibehalten kann. Springt man einmal am falschen Ort hin oder zuwenig weit, kann das zu Ärger führen. Oftmals stirbt man gleich zwei drei Mal nacheinander, bis man den Rythmus wieder gefunden hat.

Fahrfeeling?

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Die Starts scheinen etwas merkwürdig, alle Gegner samt eigenem Fahrzeug werden wie von einer Schleuder wegkatapultiert. Den sogenannten «Raketenstart» kennt man aus älteren Burnout-Titeln nur zu gut. Bloss wirkt er hier etwas deplatziert. Wie wenn jemand auf die Pause-Taste gedrückt hätte und bei Rennstart wieder «Play» betätigt. Das Gummi-Feeling ist jedoch nicht nur beim Start vorhanden, leider fehlt es Nail'd oft am nötigen physikalischen Kick. Das typische Sliden, wie es auf Quads und MTXs zum Normalprogramm gehört, kommt kaum zum Zug. Schade. Gemischt mit den eher wenig begabten KI-Gegnern kann einem bei guter Streckenkenntnis so eigentlich nicht mehr viel passieren.

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Aber Nail'd hat auch seine überaus genialen Momenten, und dafür gebürt dem Titel auch das nötige Lob. Durch einen Wald zu donnern in den Rockys während die Stämme an einem vorbeifliegen, um kurze Zeit später über das Dach einer Sägerei zu grinden hat schon ordentlich Wow-Potential.

Viele Customize-Optionen bieten einiges an Optimierungspotential. Das wenig griffige Fahrfeeling macht eine spürbare Auswirkung von Umbauten aber eher selten. Klar merkt man einen Unterschied zwischen 2 und 8 Beschleunigungspunkten bei den Attributen. Aber den Unterschied von 4 auf 7 auf der Reifenqualitäts-Skala ist bei Techlands Engine unmöglich herauszufühlen.

Der Multiplayer ist okay, aber auch keine Neuerfindung des Rades. Bis zu 12 Spieler dürfen gegeneinander antreten, und wer auf Seiten der Gegner wirklich eine Herausforderung sucht, sollte sich online mit Freunden messen.

Fazit

Nail'd ist eine Art Offroad-WipeOut. Wer auf Arcade-Racer steht und maximalen Speed erleben möchte, kombiniert mit Stunts und massiven Brücken samt Zügen und Co à la Split / Second, ist mit Nail'd nicht schlecht beraten. Darum gibts von uns eine knappe Kaufempfehlung.

Schwer ins Gewicht fällt der fehlende Splitscreen-Modus. Das ist bei diesem Spiel echt ein grosser Minuspunkt.

Bitte keine allzu grosse Tiefe erwarten. Momentan ist Nail'd die Racer-Wahl der Stunde für Simulations-Ablehner, man kriegt jedoch für noch weniger Geld auch Titel wie Pure oder Trackmania. Oder das oben erwähnte Split / Second, zwar kein Offroad-Racer, aber dafür mit noch mehr Speed und grafischer Klasse. An die Physik und grafische Brillanz von Motorstorm oder das präzise Offroad-Feeling von Dirt kommt Nail'd auf jeden Fall nicht heran.

Wir bedanken uns bei Koch Media / Deep Silver für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getestet haben wir die PS3-Version.


judgementbox
Nail'd
Positiv

Tolles Speedfeeling, coole Tracks, unmögliche Stunts, fantasievoller Renngroove

Negativ

Grafik nicht auf der Höhe der Zeit, Langzeitmotivation etwas fraglich, eher ein «Snack Game», KEIN SPLITSCREEN?! (Hey Dudes, das Spiel wäre gemacht dafür)

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Nur für Fans.
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Nail'd
Erhältlich für PlayStation 3, Xbox 360
Von Deep Silver (Developer, Publisher)