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Meinung

Hetzjagd auf Salman Rushdie in Form eines Games

vor 11 Jahren von DN

Videospiele dienen der Unterhaltung, der Kunst, dem Fortschritt und idealerweise der persönlichen Entwicklung. Im Fall des Projekts der Iranischen Studentenvereinigung und dem Nationalen Institut für Videospiele (einigermassen merkwürdige Bezeichnung) — ein Spiel zur Hetzjagd auf den weltbekannten indisch-britischen Autor — trifft dies ein keiner Weise zu. Die Idee eines Videospiels zur Hetze auf eine Persönlichkeit des literarischen Welterbes stimmt bedenklich.

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Ehrung und Schande

Ayatollha Khomeini lancierte die Hetzjagd auf Rushdie vor 23 Jahren. Als Autor der «Satanischen Verse» sah sich Rushdie einer breiten Front von Kritik und Verunglimpfung durch extremistische islamistische Kräfte gegenüber.

Dies erstaunt angesichts der Tatsache, dass Rushdie für sein Werk «Mitternachtskinder» von der iranischen Regierung zu einer früheren Zeit hochgelobt worden war.

Die Erklärung einer Fatwa bedeutet nichts anderes als der Aufruf an alle «wahren Gläubigen», den Autor zu ermorden. Rushdie führt seit Jahrzehnten deswegen ein Leben in Angst und Verstecken.

Das iranische Regime hat in den vergangenen Jahren mehrere Eigenproduktionen mit militärisch-geheimdienstlich-strategischen Settings herausgebracht, darunter Special Mission 85 mit dem Hintergrund zweier fiktiver Nuklear-Wissenschaftler iranischer Nationalität, welche auf dem Weg zum Pilgerstadt Karbala im Irak von amerikanischen Kräften entführt werden.

Der Aufruft zur Ermordung eines Intellektuellen, fortgeführt als Videospiel, irritiert die westliche Welt- und Rechtsanschauung. Ich möchte mich hierbei nicht ausnehmen. Andererseits kann das Vorgehen der iranischen Gameproduzenten und deren Finanzierer als Kampf gegen den westlichen Kultur-Eroberungs-Krieg gelesen werden. Westliche Spiele erobern die Bildschirme islamischer Jugendkulturen und vermitteln den meist jungen Gamern ein verklärtes Wertesystem relativ zu ihrem gewohnten.

Genauso problematisch wie das (für einmal als Begriff zutreffende) iranische Killer-Spiel können westliche Produktionen bewertet werden — siehe Battlefield 3, Call Of Duty Modern Warfare 1, 2, 3, u.a. — welche immer wieder islamistische Regime als Bösewichte zum ultimativen Feind der westlichen Werte hochstilisieren. In westlichen Wohnzimmern werden während Stunden über Stunden Spielzeit Aberdutzende von arabischen Kämpfern dahingemäht — gehüllt in Tüchern und bewaffnet mit Kalaschnikovs — und das in einer gross abgeklärten Selbstverständlichkeit. Dieser Umstand muss angesichts der Fatwa-Diskussion via Videospiel nachdenklich stimmen.

Zwar ist die Meldung aus Iran eine traurige. Die westliche Game-Industrie muss sich andererseits auch selbst hinterfragen, ob es angebracht ist, mit dem Zeigefinger auf das Iranische Nationale Institut für Videospiele zu zeigen und zur Ächtung aufzurufen. Betrachtet man die vielen Titel, in welchen der Nahe Osten als Brutstätte von allerhand bedrohlichen Gestalten ohne positive Seiten gezeigt wird, ist eine Verurteilung des umgekehrten Vorgehens konsequenterweise kaum angebracht.

Gemäss dem Guardian kämpfen die Iraner momentan mit technischen Schwierigkeiten bei der Produktion des Titels, dessen Name noch nicht feststeht. Ich für meine Sicht hoffe, dass die technischen Schwierigkeiten den Release verunmöglichen. Andererseits wäre ein differenzierterer Umgang westliche Game-Schmieden mit dem Nahen Osten als Ort des (bösen) Geschehens mehr als wünschenswert.


Quelle: NZZ am Sonntag und The Guardian

Mehr Infos zu Salman Rushdie bietet Wikipedia

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