BIOSHOCK INFINITE
Testbericht | PS3 | PC | Xbox 360

BioShock Infinite

vor 11 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 11 Jahren

Eine starke Story, ein neues Setting mit Luftschlössern statt versunkenen Gesellschaftsmodellen in Rapture und eine gesteigerte Fokussierung auf die Shooteranteile zu Lasten der RPG-Elemente bilden die Hauptmerkmale des vorliegenden dritten BioShock-Titels. Vermag die packende Geschichte über den einen oder anderen Gameplay-Makel hinwegzutrösten?


Eine Stadt in den Wolken und eine mysteriöse Wunderfrau

BioShock sorgte 2007 für Furore und avanciert zum Lieblingsgame in Kritikerkreisen. Noch heute vermag dem Spiel mit einer Durchschnittswertung von 96% auf Metacritic kaum ein anderer Titel das Wasser zu reichen. Die Fortsetzung löste mehrheitlich positive Stimmen aus — trotz einigen Abzügen — und spielte erneut in der Unterwasserstadt Rapture wie schon der erste Teil. Die 1960er-Jahre bildeten den geschichtlichen Hintergrund für die Unterwasser-Abenteuer. Die geistigen Vorfahren der Franchise waren Spiele aus dem Hause Looking Glass, darunter das wohl Bekannteste namens «System Shock» aus dem Jahre 1994. Von den damals stark ausgeprägten Puzzle- und RPG-Elementen ist im neusten Teil leider praktisch gar nichts mehr zu spüren, aber dazu später mehr.

Der Schauplatz des neusten Geschehens ist die Wolkenstadt Columbia, erbaut von einem ehrgeizigen, fanatischen und rassistisch geprägten Technokrat namens Zachary Hale Comstock — oder kurz «Prophet». Der Mann hält die Stadt in einem eisernen Griff, und es tobt ein Bürgerkrieg zwischen den linksgerichteten Revolutionstruppen der «Vox Populi» («Stimme des Volkes», lat.) und den Regierungstruppen des Propheten. Letzterer macht sich kaum die Mühe, den Kult um seine Person zu verheimlichen, im Gegenteil. Überall finden sich Büsten und Statuen des Stadtvaters, was im sonst hell und warmfarbig aufgemachten visuellen Stil doch sehr an Gebärden in Nazi-Deutschland oder zu Zeiten des Duce in Italien vor dem zweiten Weltkrieg erinnert.

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Angelegt ist die Handlung des Spiels im Jahr 1912, als ein ehemaliger Pinkerton-Detective namens Booker DeWitt — in dessen Rolle der Spieler schlüpft — zwecks Tilgung seiner Schulden eine bestimmte junge Frau aus Columbia entführen soll. Die Suche nach der ominösen Dame entpuppt sich kurz nach Betreten des Himmelsreiches als Spiessrutenlauf, da die Ankunft des Herrn DeWitt bereits auf Grossplakaten angekündigt worden ist. Sprich: DeWitt weist ein Branding auf seiner rechten Hand auf, «ad» steht da, und die Plakate warnen vor der Ankunft eines Satans mit dem entsprechenden Zeichen auf der Haut. Nicht gerade nett. Entsprechend schnell ist man in Gefechte verwickelt, ohne noch den geringsten Schnall zu haben, auf welch gefährliche Mission man sich offenbar begeben hat.

Es entwickelt sich eine sehr greifbare und emotional bewegende Geschichte mit spannendem Verlauf und einer charmanten und umso mysteriöseren Komplizin. Die angepeilte Dame namens Elizabeth, die man aus Columbia entführen soll, entpuppt sich als hilfreiche und bezaubernde Begleitung mit spannenden Charakterzügen. Bonny & Clyde lassen grüssen.

Die Geschichte — gespickt mit etwas Liebesgeflüster und Augenzwinkern — dreht sich auch um Rassismus, religiösen Fanatismus, Rebellion, Rache und Leidenschaft. Ein tragendes Element ist vor allen Dingen die Liebe. Sei es die Leibe der Gesellschaft zu ihrem Amerikanischen Exceptionalismus (dem Drang nach dem Aussergewöhnlichen, Spektakulären, Einzigartigen), sei es der Führer mit seinem selbsterfundenen Herrscheranspruch und seinem Unsterblichkeits-Image, oder sei es die Liebe zwischen der Spielerfigur Booker und der bezaubernden Elizabeth.

Lange Rede kurzer Sinn: Die Story und Hauptbesetzung von BioShock Infinite gehört zum Besten, was das Videogameuniversum zu bieten hat.

Schiessen statt geniessen

Nachdem ich die Story, den Hintergrund und die Besetzung in den Himmel gelobt habe — um es der Aufmachung des Spiels entsprechend auszudrücken — gibt es in Sachen Gameplay leider ein paar Dinge auszusetzen, die grösstenteils mit ein paar clevereren Design-Entscheidungen hätten bereinigt werden können.

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Es ist nicht so, dass sich das Spiel nicht gut spielt. Im Gegenteil. Es ist nur so, dass sich das Spiel nicht ganz so gut spielt, wie es hätte sein können. Grundsätzlich hat mich die allzu starke Linearität etwas gestört. Es gab kaum richtig Platz für Exploring, wenig zu entdecken auf Nebenpfaden, und allgemein wirkten die Areal viel grösser (durch den Wolkenboden abseits der Gebäude) als sie effektiv waren, sprich wohin man sich bewegen konnte. Ein flexibles Spielprinzip mit wählbaren Wegen wie beispielsweise in Dishonored sucht man hier vergeblich.

Dishonored war auch das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich mit BioShock Infinite begann. Das kommt einerseits von der Grafikengine, da beide Titel mit Unreal gebaut sind. Andererseits gibt es auch Parallelen in der Gestaltung, da es sich bei beiden um Quasi-Steampunk-Games handelt. Beide liebäugeln mit übernatürlichen Phänomenen und Parallelwelten, und beide spielen sich aus der Egoperspektive.

Neu sind die ganzen Gleit-Sequenzen, wo man sich mit Hilfe einer Hakenhand auf die Schinen der örtlichen Transportbahnen einklinken und umherfahren kann. Das Achterbahn-Feeling kommt gut rüber, aber in Gefechten kann das Herumgekutsche auch mal umständlich ausfallen. Ich empfand diese Neuerung nicht als besonders wertvoll. Aber wem's gefällt...

Für meinen Geschmack hat Irrational Games die RPG-Elemente etwas zu stark heruntergeschraubt. Schade. Ausser der Wahl von zwei aus 12 Schusswaffen, einer einzigen Nahkampfwaffe ohne Wahloptionen und acht Superkräften in Form von Genmodifikationen gibt es nicht viel zu melden. Die paar wenigen Kleidungsoptionen mit entsprechenden Bonus-Fertigkeiten sind kaum die Rede wert.

Auch ein Erfahrungs-System gibt es in dem Sinn nicht, die einzige Art sich zu verbessern ist in Form von auffindbaren Doping-Büchsen, mit der sich entweder Schild, Gesundheit oder Superkräfte-Power erhöhen lassen. Dazu kommen Münzen, welche man an Verkaufsautomaten für Upgrades wieder loswerden darf.

Speziell zu erwähnen gilt es die acht verschiedenen Vigors, die Superkräfte, welche jeweils über zwei verschiedene Einsatzmöglichkeiten (meist direkte Anwendung und Falle) verfügen. Der Gebrauch dieser Kräfte verbraucht blaues Salz, welches per sammelbaren Items wieder aufgefüllt werden muss oder an bestimmten Ladestationen komplett aufgeladen werden kann.

Sobald man mit Elizabeth unterwegs ist, kommt ein weitere Aspekt dazu. Die Dame kann kleine Dimensionstore öffnen, welche Items und Waffen, Geschütztürme oder Deckungen, oder andere nützliche Dinge erscheinen lassen. Der Spieler bestimmt wann und wo dies geschieht. So können u.a. auch Grappling-Haken, fliegende Geschütze oder nützliche Verkaufs-Automaten temporär hingezaubert werden.

Futurismus und Groteske

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Es ist toll anzuschauen, was Irrational Games aus der Unreal Engine 3 rausgepresst hat. Insbesondere die Nebelschwaden und Wolkenformationen vermögen überaus gut zu gefallen. Die Framerate ist flüssig und die Lichteffekte machen selbst auf der PS3 einen schönen Eindruck. Die Animationen sitzen, die Aufmachung passt.

Auch das Gesamtdesign mit der Wolkenwelt, dem absurd-gleichgeschaltete Verhalten mancher Bewohner der Stadt, dem Gegensatz zwischen hellen und warmen Farbtönen und bedrohlichem Dikatatur-Groove, strahlt einen besonderen Reiz aus. Die grotesk verzerrte Stadt in der Jugendstil-Architektur mit barockem Einschlag gibt einem das Gefühl, als bewege man sich durch eine schwebende Torte mit Hunderten von feindlich gesinnten Maden darin. Das ganze eingebettet in ein totalitäres System mit all seiner Hässlichkeit.

Fazit

BioShock Infinite ist eine Art Wahrzeichen für die aktuelle Konsolengeneration, welche die Produktion von Story-getriebenen Games enorm weitergebracht hat. Das Spiel ist zum Ende der Ära PS3 und 360 soetwas wie die Krönung von erzählerischer Magie in Videospielen und stellt ein Hauptdarsteller-Duo auf den Screen, welches über eine unglaublich starke Ausstrahlung verfügt.

Leider ist aber nicht alles Gold, was glänzt. Etwas zuviel grafische Gewalt für meinen Geschmack, zu stark reduzierte RPG-Elemente, zu repetitive Gegner, und das fehlende Exploring überschatten den tollen Eindruck der Story ein wenig.

Insbesondere gefehlt hat mir die eine oder andere aussergewöhnliche Idee was die Figuren angeht, wie z.B. in Teil 1 und 2 die Big Daddies. Diese Nostalgie-Taucheranzug-Monströsitäten waren fast so originell wie die gesamte restliche Aufmachung des ersten und zweiten Teils und wurden zur BioShock-Ikone schlechthin. Entsprechend schmerzlich vermisst habe ich die ollen Blechkannen.

Alles in allem darf sich jeder dieses Spiel aber ohne Sorge kaufen, der auf storygetriebene Shooter mit einzigartiger Aufmachung steht.

Wir bedanken uns bei 2K Games für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getestet haben wir die Ausgabe für PlayStation 3.


judgementbox
Bioshock Infinite
Positiv

Packende Story mit tollen Hauptfiguren, sattes Gameplay, fantastische Parallelwelt in den Wolken, schönes Gesamtdesign, gesellschaftskritische Anklänge, «reifes» Spiel mit einem gewissen Anspruch was den Hintergrund angeht, sinnvolles Mass an Waffen- und Vigor-Optionen, flüssiges Gameplay und ansprechende Gefechte

Negativ

Checkpoints teilweise etwas zu weit auseinander, Gefechte können streckenweise etwas unübersichtlich werden, Verlauf eine Prise zu linear, RPG-Elemente weiter zusammengestrichen im Vergleich zu BioShock, Gegnertypen etwas zu wenig variabel, ausgesprochen brutale und sehr blutige Gefechte

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Gibt's nicht.
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Bioshock Infinite
Erhältlich für PlayStation 3, Windows PC, Xbox 360
Von 2K Games (Publisher), Irrational Games (Developer)