ASSASSIN'S CREED 3 - LIBERATION
Testbericht | Vita

Assassin's Creed 3 - Liberation gold_medium

vor 11 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 11 Jahren

Wer hätte das gedacht: Ein vollmundiger Ableger der Assassin's Creed-Reihe exklusiv für die PlayStation Vita? Das ist ein Novum, denn Ubisoft hält sich normalerweise vornehm zurück mit Konsolen-exklusiven Titeln. Insbesondere wenn es um den grossen Ubi-Kassenschlager wie die Assassin's Creed-Franchise geht. Vermag die Attentäterin für unterwegs zu überzeugen?


Was unterscheidet den Vita Ableger mit dem Beinamen Liberation von seinen «grossen Brüdern»?

Die richtigere Frage würde lauten: Mit welchen Ausgaben für die Wohnzimmerkonsolen kann sich Liberation messen? Die Antwort darauf würde lauten: Mit allen. Teil 3 auf den Wohnzimmerkonsolen hat tolle Ansätze und Highlights, aber leider viel zuviele Frustfaktoren.

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Liberation greift die AC-Thematik auf eine eigene Art und Weise auf, und bringt mit Aveline de Grandpré eine interessante neue Hauptdarstellerin auf das Parkett der Attentäter. Die junge Frau ist als Tochter einer schwarzen Sklavin und eines weissen Handelsmannes in New Orleans Mitte des 18. Jahrhunderts geboren und setzt sich vehement für soziale Gerechtigkeit ein. Und natürlich ist sie heimlich ein Mitglied der Assassinen-Gilde. Das Spiel startet im Jahr 1765 und führt über mehrere Episoden und gute 16 Spielstunden zum Abspann. Der Umfang des Spiels ist also durchaus sehenswert.

Nicht nur die Hauptdarstellerin und ihre Geschichte und entsprechenden Schauplätze sind neu, es gibt auch ein paar technische Unterschiede zu verzeichnen. Da sind zum Beispiel die fehlenden unteren Schulterbuttons der «grossen» Konsolen zu kompensieren, was aber ohne grössere Schwierigkeiten gelingt. Man hat eigentlich nie das Gefühl, dass etwas fehlt oder zugunsten der Portabilität zurückbuchstabiert worden ist.

Wie schlägt sich die neue Anvil-Engine auf der Vita?

Ubisoft hat intensiv an der neuen Engine gearbeitet in den letzten drei Jahren. Das zeigt sich auch auf der Vita. Die Grafik vermag durch's Band zu überzeugen. Kleine Details wie herumschwirrende Schmetterlinge und Spiegelungen auf Wasseroberflächen zeugen von der Sorgfalt, die von den Ubisoft-Teams in den neuen «Motor» und auch in die Version für die Vita geflossen sind.

Die Detailvernarrtheit beschränkt sich nicht nur auf die Kulisse, auch mehr Interaktionen sind möglich. So dürfen beispielsweise herumstreunende Haustiere gestreichelt werden. Dies dient gleichzeitig auch als soziale Tarnung, wie man das bereits aus dem Hinsetzen auf öffentliche Bänke oder das «Untertauchen»Â in Menschentrauben aus vergangenen AC-Titeln kennt.

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Das absolute Highlight von Liberation sind aber nicht etwa die grafischen Details, die tollen Sprecher oder die glaubhaften Figuren, sondern die Animationen. Es schlichtweg unglaublich, wie seidenfein sich die Südstaaten-Heldin durch die Spielwelt bewegt, und mit welcher Grazie die einzelnen Animationen ineinandergeblendet werden.

Wie flink ist Aveline im Vergleich zu Altaïr, Ezio und Connor?

Es ist ein Genuss, die Attentäterin durch die Spielwelt zu steuern. Die Animationen der Spielfigur sind derart grazil, dass man nie das Gefühl hat, aus der Immersion herausgerissen zu werden durch eckige Bewegungen. Da gibt's kein Rucken und kein Zucken, alles geht seidenfein von der Hand.

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Egal ob entlang von Gassen und Sumpfpfaden, über Zinnen und Dächer oder auf Kirchentürme und Mammutbäume — Aveline bewegt sich wie Wasser durch ein Flussbett. Wenn man es gut traditionell in japanischer Kampfkunst-Rhetorik ausdrücken möchte.

Natürlich ist Liberation auch nur ein Spiel, und natürlich findet Aveline nicht in jedem erdenklichen Moment genau den Absatz, genau den Mauervorsprung und genau den richtigen Absprungwinkel. Dies ist ein Anspruch an ein Openworld-Freerunning-Game, welcher einigermassen überhöht wäre. Einige andere Tester haben dies etwas aus der Sicht verloren, wie es mir scheint. Ich äussere mich eher selten zu Wertungen anderer Medien, hier mache ich mal eine Ausnahme. Wenn ich die Errungenschaft eines Liberation auf der Vita mit dem Gameplay von Assassin's Creed - Revelations von letztem Jahr vergleiche, passen hier die meisten Animationen besser zusammen als beim hochgelobten Wohnzimmer-Attentäter. Und das ist wie ich meine für einen mobilen Assassin's Creed-Titel eine beachtliche Leistung der Entwickler.

Nehmen wir ein Beispiel: In den Sümpfen lohnt es sich, statt hindurchzuwaten oder ein Kanu zu nehmen (ja, auch das darf man), nach einer Passage in luftiger Höhe Ausschau zu halten. Vielenorts führt ein Weg über ausladende Äste und Baumstrünke und an mächtigeren Bäumen vorbei zum Ziel. Wie sich Aveline um die Stämme herumschlängelt, von einer kleinen trittfesten Stelle zur nächsten jagt, ist eine Augenweide.

Was hat es mit der Geschichte um die vermissten Sklaven und Bürger von New Orleans auf sich?

In den Sümpfen verschwinden laufend Menschen. Erst Sklaven, scheinbar durch einen fehlgeleiteten Vodoo-Kult und dessen Oberhaupt vom rechten Weg abgekommen. Als aber auch immer mehr Bürger verschwinden, ist es an Aveline bzw. dem geneigten Spieler, sich der Aufklärung des Mysteriums anzunehmen.

Das Geschehen im Süden der USA dreht sich wie gewohnt um den offenbahr ewig anhaltenden Kampf zwischen Assassinen und Templern. Eingebettet ist dieser Rote Faden in ein äusserst interessantes Szenario. Die späte Phase des Kolonialismus führte in New Orleans zu der Zeit zu mehreren Machtwechseln zwischen französischen und spanischen Interessen. Gefolgt von Volksaufständen und Bürgerkriegs-ähnlichen Zuständen. Durchwirkt von Sklavenhandel, blühendem Reichtum und Korruption.

Als besonders reizvoll empfand ich die Art, wie Ubisoft mit dem Setting umgeht, wie menschliche Schicksale mit der Geschichte verwoben werden. Die vielen Figuren, welche auf eindrückliche Weise Aveline's Weg kreuzen. Zum einen die Sklaven, welche ein bemitleidenswertes Dasein fristen, und ohne künstliches Pathos eine Rolle im Spiel einnehmen. Da sind aber auch machthungrige Tyrannen, dauerbetrunkene Schmuggler, aufrührerische Bürger auf der Strasse, dubios-korrupte spanische Intriganten und viele mehr.

Welche spielerischen Qualitäten bringt Liberation mit?

Das Gameplay von AC3 Liberation ist sehr vielseitig aufgebaut. Man darf Schiffe kaufen und mit entsprechender Handelsware versehen in ferne Häfen entsenden, um den eigenen Geldbeutel aufzupolieren. Schliesslich ist Aveline's Vater ein angesehener Handelsmann.

Auch in Sachen Waffenarsenal braucht sich Liberation nicht vor andern AC-Games zu verstecken. Von verschiedenen Kleinwaffen über Schwerter zu Schusswaffen und verschiedenen Items ist so ziemlich alles zu haben, was das Attentäter-Herz sich wünscht bzw. wirklich braucht.

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Ein überaus genialer Twist im Gameplay serviert uns Ubisoft in Form der drei Kostüme, bzw. Rollen, welche Aveline einnehmen kann. In allen Städten und Umgebungen gibt spezielle Häuser und Hütten, welche für kleines Entgeld renoviert (respektive freigeschaltet) werden können. Diese dienen Aveline zum Wechsel ihres Outfits.

Jede der drei Ausstattungen bringt eigene Vor- und Nachteile mit sich: Die Sklavin ist eine geschickte Kletter-Göttin, während sich die Attentäterin besonders auf Nahkampf versteht und die Lady wiederum subtile Vorgehensweisen ermöglicht. Alle Rollen verfügen auch über Schwächen, und so kann die Lady offensichtlich nicht klettern, die Sklavin ist nicht besonders gut für Nahkämpfe ausgerüstet und die Attentäterin sorgt für mehr Aufsehen in den Strassen. Für alle Rollen gibt es im Verlauf des Spiels unterschiedliche Farbkombinationen der Outfits zu kaufen.

Die meisten Missionen lassen sich in verschiedenen Rollen absolvieren, was an sich schon ein bestechendes Konzept ist. Jede Rolle bietet andere Aktionen, wie das scheinbare Herumtragen von Kisten in Form der Sklavin oder das Bezirzen von herumstehenden Gentlemen zwecks Beschützer-Anwerbung. Richtig cool ist aber vor allem die Tatsache, dass jede Rolle über ein eigenes Wanted-Level verfügt. Baut man z.B. als Sklavin Mist, kann eine andere Rolle für eine Weile helfen, nicht gleich überall verhaftet zu werden. Und man darf das Wanted-Level anderer Rollen reduzieren, indem man beispielsweise als Lady verkleidet die Steckbriefe der Sklavin an den Wänden entfernt. So gelingt der fliessende Wechsel zwischen den Rollen prima und wird zu einem wirklich gut umgesetzten, komplett neuen und exklusiven Feature in AC3 Liberation.

Die Vita-spezifischen Eigenschaften wie das Kombinieren von Attacken gegen mehrere Gegner per Antippen des Touchscreens gelingt ebenfalls sehr gut. Die Animationen der Kampfhandlungen sind wie bereits weiter oben erwähnt überaus sehenswert und sind ein Vergnügen in Ausführung und Begutachtung.

Kann das fertige Spiel den vielversprechenden ersten Eindruck von der Gamescom 2012 bestätigen?

Kris hat von seinem ersten Kontakt mit Liberation in Live-Form an der GC13 sehr positiv berichtet. Mein eigener Eindruck aus der Session bei Ubisoft war ebenfalls sehr gut, ich war genaugenommen damals schon hin und weg von der Qualität der Animationen. Ehrlich gesagt hätte ich dies Ubisoft, respektive der Assassin's Creed-Serie und erst recht der PlayStation Vita, im Vorfeld nicht in dem Mass zugetraut. Der erste Eindruck von hat nicht getäuscht: Was uns Ubisoft hier abliefert, ist höchster Gamegenuss in mobiler Form.

Fazit

Wer eine Vita zuhause hat, muss sich dieses Spiel kaufen. Ausgenommen jene, welche mit dem AC-Universum nichts anfangen können.

Für alle anderen gilt: Viel besser geht momentan auf der Sony-Geige für unterwegs nicht.

Kritikpunkte gibt es natürlich auch eine Handvoll, aber keine wirklich schwergewichtigen. Man kann bemängeln, dass dem Titel etwas die epische Dimension fehlt, gerade im Vergleich zu Assassin's Creed 3 auf PS3 / Xbox 360. Der Vergleich hinkt allerdings ein wenig angesichts der fehlenden Sourround-Anlage samt Grossbildschirm. Auch sind einige Motion-Sensor-Rätsel unumgänglich und nerven. Und es braucht für die eine oder andere Sequenz starke Nerven, da der Schwierigkeitsgrad nicht besonders auf Gelegenheits-Spieler ausgelegt ist, um es mal gelinde auszudrücken. Nichts desto trotz: Ein gelungenes Spiel für unterwegs.

Wir bedanken uns bei Ubisoft für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken.


judgementbox
Assassin's Creed 3 - Liberation
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Positiv

Fantastische Adaption der Anvil-Engine und der Franchise für einen Handheld, Animationen vom Feinsten, Story spannend wenn auch etwas runterskaliert, vielseitiges Gameplay, neuer Twist mit den Verkleidungen und entsprechenden Rollen

Negativ

Story nicht ganz so tiefgehend wie in Assassin's Creed 3, seltene Framerate-Einbrüche, Schwierigkeitsgrad und Balancing vielleicht stellenweise etwas zu hart für Gelegenheitsgamer, teilweise supernervige Vita-Motion-Sensor-Verhunzungen (Ja, dich schau ich an, Murmelspiel!)

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Nur für Fans.
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Erhältlich für PlayStation Vita
Von Ubisoft (Developer, Publisher)