PROTOTYPE
Testbericht | PS3 | Xbox 360

Prototype

vor 14 Jahren von LKM, Aktualisiert: vor 11 Jahren

Die Hauptperson in Sandbox-Spielen ist die Stadt, in der man sich austoben kann. Die Qualität der Stadt - der Sandbox - entscheidet darüber, ob so ein Spiel Spass macht oder nicht. GTA IV und inFamous konnten mit tollen, detaillierten Städten überzeugen; in Prototype ist die Stadt leider ein charakterloser Wolkenkratzerwald, und das Spiel ist schnell genau so öde wie die langweilige Architektur.

Alex Mercer wacht in einem Leichenhaus auf, kurz bevor er seziert wird. In der Stadt breitet sich ein Virus aus der Menschen in Monster verwandelt, das Militär grenzt die Umgebung von der Aussenwelt ab, die Stadt verwandelt sich bald in ein urbanes Kriegsgebiet, und Mercer muss rausfinden was genau passiert ist (genau genommen wird seine Motivation so erklärt, dass er sich "rächen will"). Kommt euch die Story bekannt vor? Jup, eine Woche nach inFamous kommt ein Spiel auf den Markt, welches auf den ersten Blick als Zwillingsbruder durchgehen könnte.

Ambulanz

Genau wie bei inFamous ist der Protagonist des Spiels ein moderner Superheld, der über übermenschliche Kräfte verfügt. Genau wie bei inFamous rennt man durch eine offene Welt und erledigt Missionen. Genau wie bei inFamous kann man nicht in Autos steigen und cruisen (dafür stehen hier wenigstens Militärfahrzeuge zur Verfügung). Und genau wie bei inFamous kann Mercer dank Parkour-Fähigkeiten Häuser besteigen und von Dach zu Dach hüpfen.

Damit hören die Gemeinsamkeiten aber langsam auf.

Während Cole aus inFamous dank seiner Nahtod-Erfahrung Elektro-Kräfte bekommt, wurde Alex genetisch verändert und kann nun die Fähigkeiten von besiegten Feinden imitieren und sogar deren Aussehen übernehmen, um so gegnerische Gebäude zu infiltrieren.

Monster

Während Cole die Häuser kletternd beklimmt, rennt Alex einfach die Facade hoch. Resultat davon ist, dass so gut wie alle Häuser völlig flache Aussenwände haben, was den Charakter der Stadt völlig zerstört. Man fühlt sich nicht wie in einer echten Stadt, sondern wie in einer in Sim City gebastelten Spielstadt.

Die Sandbox

Auch die Leute auf der Strasse wirken leer. Die Strassen sind zwar voll mit Menschen, diese haben aber wenig Details und wirken künstlich. Die in der Geschichte involvierten Personen sieht man nur in den Zwischenszenen. Das hat zwei Effekte: Erstens assoziiert man die Menschen auf den Strassen nie mit "echten" Protagonisten, was sie zu reinen Puppen verkommen lässt. Zweitens sieht man die Figuren aus der Story nie in der Stadt, was dazu führt dass man sie nicht als lebendige Menschen wahrnimmt, sondern eher als Figuren aus einer Fernsehsendung. Story und Spiel wirken so derart stark voneinander getrennt, dass die Story überhaupt nicht motivierend wirkt sondern einfach neben dem Spiel ein bisschen vor sich hinplätschert. Oft ist unklar, was die einzelnen Missionen genau mit der Geschichte zu tun haben, oder weshalb die Geschichte nach einer durchgeführten Mission weiterläuft.

Häuser

Wie in den meisten Sandbox-Spielen gibt es Haupt- und Nebenmissionen. Die Nebenmissionen wirken aber völlig sinnlos. Sie sind nicht wie bei inFamous in die Geschichte eingebunden, sondern sind absolut unmotiviert und einzig dazu gut, in-Game-Währung zu bekommen, mit der man neue Fähigkeiten kauft.

Gut und Böse

In inFamous hat man die Option, entweder gut oder böse zu sein. In Prototype geht das schon mal gar nicht. Mercer will sich für seine Situation rächen, und es ist völlig egal wie viele unschuldige Menschen dafür bezahlen müssen. Die Strassen sind voll mit hunderten von Menschen, es ist absolut unmöglich, nicht in jeder Mission versehentlich viele davon zu töten; das hat aber keine Konsequenzen, am Ende der Missionen wird sogar zynisch aufgelistet wie viele Soldaten, infizierte Monster und unbeteiligte Menschen während Mercers Selbstfindungs-Rache-Ego-Trip gestorben sind.

Böse

Je nach Mission bekämpft man Soldaten, Monster oder gleich beide Parteien, unabhängig davon wer nun gerade auf welcher Seite ist.

Gameplay

Positiv fällt die Steuerung von Mercer auf. Der Mann verfügt über unglaubliche Fähigkeiten, und die lassen sich im Grossen und Ganzen einfach steuern. Problemlos pickt man Autos auf und wirft sich nach Panzern oder springt hundert Meter in die Luft und kickt einen Hubschrauber. Hier glänzt das Spiel; innert kürzester Zeit richtet man ein wunderschönes Chaos an. Ausserdem darf man Waffen auflesen, die von den Gegnern fallen gelassen wurden, so dass man schon mal in einer ganz normalen Strassenschlacht plötzlich mit einer Panzerfaust auf ein halbes dutzend Monster ballert, die drei mal so gross sind wie Mercer, während unbeteiligte Passanten panisch in alle Richtungen rennen und das Militär mit Panzern, Soldaten und Hubschraubern gleichzeitig versucht, sowohl die Monster als auch Mercer auszuschalten.

Chaos

Die Missionen beschränken sich damit hauptsächlich meistens darauf, möglichst viel Chaos anzurichten. Normalerweise würden wir das als Minus-Punkt ankreiden, aber das Kampfsystem ist so gut gelungen dass diese Einschränkung nicht stark stört. Trotzdem schade, dass Mercers Fähigkeiten nicht besser eingesetzt werden; mit all seinen Stärken hätte man interessantere Missionen erfinden können.

Auch schade ist, dass die Schwierigkeit des Spiels nicht aus der Intelligenz der Gegner entsteht, sondern aus der Tatsache dass man in gewissen Szenen einfach mit einem riesigen Haufen Gegnern vollgespamt wird.

Grafik

Die Stadt ist wie bereits erwähnt extrem charakterlos und einfarbig. Die Häuser sind ohne Detail, und die einzelnen Texturen wiederholen sich alle 20 Meter. Die genau gleiche Backsteintextur wird an jedem zweiten Haus irgendwo verwendet, und explodierende Gebäude wirken besonders lächerlich.

Während die Weitsicht für die Häuserstruktur super gelungen ist, leidet das Spiel unter enormem Pop-In für alle anderen Elemente. Dauernd erscheinen Autos, Charaktere und andere Elemente im Bild, was vor allem dann nervt wenn man Ziele nicht sehen kann, weil man ein paar Meter zu weit weg steht.

Weitsicht

Mit den tollen Wettereffekten von inFamous kann Prototype in keiner Weise mithalten. Einzig die Explosionen und Gefechte erinnern etwas an die grafische Qualität von inFamous.

Um ehrlich zu sein...

Vielleicht hat mich inFamous einfach verdorben. Vielleicht hätte ich Prototype unglaublich cool gefunden wenn ich nicht vorher inFamous gespielt hätte.

Prototype ist kein schlechtes Spiel. Prototype ist sogar ein gutes Spiel, und in gewissen Bereichen - namentlich wenn es ums Kämpfen geht - ist das Spiel geradezu brilliant.

Brücke

Aber nach inFamous habe ich einfach mehr erwartet. Mehr Story, bessere integration der Nebenmissionen, bessere Grafik... Vielleicht sollte man Prototype einfach nicht als Sandbox-Spiel betrachten. Die langweilige Stadt, die unsinnigen Nebenmissionen laden nicht dazu ein, die Sandbox zu erforschen. Vielmehr geht man von Mission zu Mission und löst diese ziemlich linear. Vielleicht sollte man Prototype einfach als lineares Spiel betrachten, welches zufälligerweise in einer Sandbox stattfindet.

Für alle Action-Game-Fans ist Prototype eine gute Wahl, wer aber Sandbox-Games spielt um eine neue Welt zu erforschen, der wird von Prototype enttäuscht. Und wer sowohl Prototype als auch inFamous spielen möchte, der sollte wohl zuerst Prototype spielen um sich das Game nicht mit inFamous zu verderben.


Zweite Meinung von DN

Was meiner Meinung nach Prototype von inFamous grundsätzlich unterscheidet, ist die Tatsache, dass man bei ersterem nie wirklich richtig total ins Spiel reingesogen, vom Spiel absorbiert wird. Des öfteren prallt man etwas ab. inFamous hat einen Null-Komma-Plötzlich-Sog, von dem man nicht mehr so schnell losgelassen wird. Prototype auf der anderen Seite hat zwar extrem starke Momente, aber auch sehr dürftige Seiten. Ich persönlich fand den Anfang z.b. völlig misslungen, eine eher unbeholfene Mischung aus Tutorial und dem Schmackhaftmachen von späteren Superfähigkeiten. Nach einer Rückblende muss man dann 18 Tage vor diesem Intro-Prolog ganz ohne ausgeprägte Mutantenpower ins Spiel einsteigen. Hat mich irgendwie ziemlich kaltgelassen.

Mir persönlich ist das Spiel auch eine Spur zu blutrünstig. Ich kann zwar viel ertragen und mag es gern auch mal wenns so richtig zur Sache geht, aber wenn in Stücke gehauene Zivilisten en masse in den Strassen liegen, zum grösseren Teil dank der Aktionen des Spielers, kann man sich schon fragen wieso derart viel blood'n'guts sein muss.

Was positiv auffällt ist die Sichtweite in der Stadt, und die sehr stabile Framerate. Andererseits ist, wie LKM schon konstatiert hat, die Stadt relativ "robotig" und eher seelenlos. Es gibt wenige lauschige Ecken, die mit Liebe zum Detail gemacht wären, und die Passanten wirken meist eher wie Roboter auf nem Förderband, als denn wirkliche Bewohner mit einem Eigenleben. Auch hier punktet inFamous ganz klar.

Die Kämpfe sind witzig und temporeich, und es gefällt natürlich dass man auch Sturmgewehre und Raketenwerfer aufheben und gebrauchen darf. Von den Controls her fühlte ich mich persönlich bei inFamous besser aufgehoben, Prototype benötigt wesentlich mehr Übung im Umgang mit den Moves und Fertigkeiten, von denen es dafür auch mehr gibt als im Schwesterspiel.

Die grösste Stärke war für mich ganz klar der "Disguise"-Mechanismus. Das Rumrennen als Agent, Soldat, oder Panzerfahrer ist sehr gut gelungen, und mit den Fahr- und Fluggeräten kann man massig Spass haben. Hier hätte ich mir vielleicht noch etwas mehr Farbe gewünscht im Sinne von speziellen Fähigkeiten der einzelnen Charakteren, die man "konsumieren" kann. Als Agent wäre es z.b. denkbar gewesen, Bomben in Aktenkoffern platzieren zu können oder sowas. Ansatzweise ist dies zwar vorhanden mit dem Rufen von Luftangriffen u.a., aber da hat das Entwicklerteam irgendwie etwas Potential liegen lassen.

Die Entwickler haben vor ein paar Jahren ein HULK-Spiel rausgebracht, und mir scheinen da gewisse Parallelen durchaus offensichtlich. Schade dass man nicht etwas weniger HULK, dafür etwas mehr Immersion und Tiefe in Prototype hat einfliessen lassen.

judgementbox
Diverse
Positiv

Tolles Kampfsystem, superstarke Fähigkeiten, interessante Story

Negativ

Story schlecht in Gameplay integriert, Nebenmissionen sinnlos, Sandkasten-Stadt charakterlos und langweilig, mässige Grafik

Alleine spielen: Nur für Fans.
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Gibt's nicht.
Du kannst LKM, den Autor dieses Beitrags, über seine Kontakt-Seite erreichen.


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