Bella Italia

Atemberaubende Toskana
Ubisoft sorgte bereits vor mehr als drei Jahren mit den ersten Berichten zum Assassinen-Projekt für Aufsehen. Das finale Produkt musste sich jedoch einige Kritik gefallen lassen. Nach den atmosphärisch zwar gelungenen, aber spieltechnisch eher etwas mageren Städten und Ländereien des heiligen Landes in «Assassin's Creed» darf man nun im neusten Teil der (wohl zu einer Trilogie werdenden) Reihe in die Rolle des jungen florentinischen Adligen Ezio Auditore schlüpfen.

Wer nicht ganz schwindelfrei ist, sollte sich gut festhalten
Die Geschehnisse von Teil 2 finden rund 300 Jahre nach Teil 1 zur Zeit der italienischen Renaissance statt — gespickt mit Machtspielen, Intrigen, Verschwörungen und vielen weiteren Zutaten für ein spannendes virtuelles Abenteuer. Ezio's Vater gehört wie Altaïr in Teil 1 den Assassinen an, einem einigermassen edelmütigen geheimen Bund, der sich dem Kampf gegen die Templer verschworen hat. Diese skrupellose Bruderschaft hat weltumwälzerische Pläne und diese gilt es natürlich zu verhindern. Die eigentliche Vorgeschichte zu Teil 2 ist, wie wir schon berichtet haben, als Film auf Youtube zu sehen — durchaus empfehlenswert.

Vera pelle, vero moda — wer als Assassine etwas auf sich hält, trägt dunkel
Die Rahmenhandlung für Ezios und Altaïrs Abenteuer, die sich in der nahen Zukunft abspielt, war bereits im ersten Teil eher Nebensache, und wird im zweiten Teil noch mehr zurückgenommen. Mir persönlich ist dieses Cyber-Dings eh ein bisschen wurst, und ich war mir seit je her nie so ganz sicher, ob es das Spiel wirklich bereichert. Ich hätte diese Ebene der Handlung wohl anders integriert. Never mind. Wie gesagt, das Ganze ist je länger je mehr eher Nebensache, und das ist meiner Meinung nach gut so.
Der eigentliche Reiz der AC-Spiele liegt offensichtlich im Erkunden der weitgehend detailgetreu nachgebauten Städte aus längst vergangen Tagen. Wenn man Ezio über die Dächer und durch die Gassen von Florenz, Forlì, San Gimignano, Monteriggioni, Venedig und Rom lenkt, taucht man leichterhand ein in die wunderbar gestalteten Räume und Begebenheiten gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Und wenn sich die Geschichte langsam zu entfalten beginnt, lässt einen dies so schnell nicht mehr los.
Medici sempre Medici

Im Zeichen der Medici
Ezios Vater steht in Diensten von Lorenzo Medici, dem reichsten und mächtigsten Bürger von Florenz. Als dessen Leben durch eine grossangelegte Verschwörung in Gefahr kommt, gilt es diesem Treiben durch die Bekämpfung des Komplotts (sprich durch die Beseitung der Verschwörer) ein Ende zu setzen. Bald zeigt sich jedoch, dass die Fänge des mysteriösen Gegenspieler-Bundes weit über die Stadt am Arno hinaus reichen.
Dieses Florenz zeigt sich in AC2 von seiner schönsten Seite. Viele bekannte Gebäude und Ecken der Stadt sind im Spiel anzutreffen, und des öfteren staunt man nicht schlecht über die Detailtreue. Ponte Vecchio, Santa Maria Novella, Duomo di Santa Maria del Fiore — alle sind sie vertreten. San Gimignano, Forlì, Venedig und die anderen Orte stehen dem in nichts nach, im Gegenteil.

Die gute alte Ponte Vecchio — immer wieder mal ein Besuch wert
Überhaupt glänzt Ezios Abenteuer in Sachen Präsentation über alle Massen: Wolken ziehen am Himmel vorüber, es gibt verschiedene Tag- und Nachtzeiten, Vögel ziehen ihre Kreise, der Soundtrack ist perfekt dezent, die Geräuschkulissen genial, und die Leute in den Strassen unterhalten sich des öfteren über diverse Themen oder lauschen irgendwelchen Herolden. Gerade letztere sorgen mit ihren Ansprachen ab und zu für ein Schmunzeln.

Welche grossartiges Textur-Artwork — Chapeau
Die Grafik kommt inzwischen auch noch etwas flüssiger daher als in Teil 1, hie und da muss man aber ein paar Framerate-Drops in Kauf nehmen. Angesichts der prächtigen Optik nimmt man dies aber wohl in Kauf. Unspielbar wird das Ganze eigentlich nie.
Dolce far tanto
Ja, es gibt viel zu tun in AC2. Genauer gesagt handelt es sich um eine schiere Flut von neuen Gameplay-Elementen, die sich im Spiel tummeln. So gibt es neu Geldtruhen, die man finden und plündern darf, sowie Belohnungen in Cash für erfüllte Aufgaben. Plündern darf man auch gefallene Gegner (und deren Waffen temporär selbst verwenden).

Man beachte die feinen Details an der Türe und die Freskos — die Fensterscheiben verändern sich je nach Lichteinfall
Mit der beschafften Kohle darf man allerhand Hebel in Bewegung setzen, wie beispielsweise zur Ablenkung von Wachen etwas Gold auf die Strasse werfen, bessere Rüstung und Waffen kaufen, Medizin besorgen, sich heilen lassen, Rauchbomben und Wurfmesser erwerben, sich neu einkleiden lassen, temporäre Gehilfen in Form von Dieben, Kurtisanen oder Kämpfern anheuern, Kunststücke ergattern oder die eigene Heimatstadt samt Palast ausserhalb von Florenz auf jede erdenkliche Weise renovieren. Diese bildet die Basis für günstigere Einkäufe und bietet Ezio ein regelmässiges Einkommen durch Steuern und Abgaben. Das so zusammenkommende Geld darf dann wiederum für Einkäufe und sonstige sinnvolle Verwendungszwecke verpulvert werden. Braucht man mal dringend en place ein paar Kröten und die eigene Schatzkammer ist grad arg weit weg, darf man die Menschenmengen in den Gassen der Städte via Taschendiebstahl um ein paar Münzen erleichtern.
Die anheuerbaren Fraktionen machen ungemein viel Spass. So kann man die Diebe auf eine Gruppe von Wachen loslassen, um diese zu provizieren, und sie so von einem bestimmten Punkt wegzulocken. Entsprechend sorgen die Kurtisanen für verwirrte Stadtwachengesichter, und wenn's hart auf hart gehen soll, vermögen die Söldner ganz schön auszuteilen. Und es ist immer auch spannend zum Beobachten, wie die Figuren miteinander interragieren. Das Ganze wirkt lebendig und greifbar.

Anspruchsvolle Innenraum-Erkundungen warten darauf, gemeistert zu werden
Ebenfalls neu sind die sogenannten Kodex-Seiten, die es zu finden gilt, um mit Hilfe von Leonardo Da Vinci's Entschlüsselungsfertigkeiten die Lebensenergie auszubauen oder neue Fertigkeiten freizuschalten. Die Kodex-Seiten bieten ausserdem eine Erweiterung der Story durch die Aufzeichnungen, die sich darauf befinden. Einmal entschlüsselt, darf man sie im Datenbank-Menu in aller Ruhe durchlesen.
Suchen darf man auf den Dächern der Städte auch nach Federn, welche Ezios jüngeren Bruder in den Bann gezogen haben.
Neu sind auch die diversen Nebenmissionen. Man darf nun Botendienste übernehmen, fremdgehende Ehemänner verprügeln, freiberuflich Attentate verüben und an Rennen teilnehmen. All das natürlich gegen Cash, man will ja schliesslich nicht verhungern.
Ebenfalls neu ist die bereits erwähnte Datenbank, wo man jederzeit Informationen über Orte, Figuren und Fraktionen nachlesen darf.

Nachtaktiv
Ein weiteres Element bilden die Fragmente der «Wahrheit»: An bestimmten Gebäuden ist irgendwo eine Rune angebracht, die man durch Betrachten mit dem Adlerauge aktivieren kann. Damit werden dann kleine Rätsel freigeschaltet, wo man Bildunterschiede erkennen, Teile zusammensetzen oder Logik-Aufgaben lösen muss. Diese Fragmente wurden von einer vorderhand geheimnisvollen Person in der Welt verstreut, um zusammengesetzt eine grosse Offenbahrung preiszugeben. Mehr sei dazu nicht verraten.
Ja, es hört kaum mehr auf. Ein weiteres neues Element sind die Assassinengräber, welche durch einen jeweils recht aufwendigen Kletter- und Springparkours durch Innenräume erreichbar sind. Teilweise muss man diese Routen auch unter Zeitdruck absolvieren (Nebenbei bemerkt: Begehbare Innenräume samt Missionen sind ebenfalls neu in AC2). Das Aufinden der Assassinen-Gräber wird mit grosszügigen Geldfunden belohnt, und das Auffdinen aller sechs Gräber schaltet eine nette Überraschung frei.

Auch ein Sprung ins Wasser kann die Attentäterfreuden nicht mindern
Neu ist auch die Möglichkeit, sich in einfachen Menschengruppen tarnen zu können. Dies war in Teil 1 lediglich in Mönchsgruppen möglich, neu darf man also in allen möglichen Menschenansammlungen untertauchen. Dieser Mechanismus macht die getarnte Bewegung durch die Städte um ein Vielfaches dynamischer und glaubhafter.
Die Bewegungsfreiheit hat ebenfalls ein paar neue Dimensionen erhalten. So darf man nun auch schwimmen, Boote steuern und in manchen Sequenzen sogar Gefährte.
Capo rosso
Neu ist auch ein Berüchtigkeits-Level. Führt man sich daneben auf in einer Stadt oder begeht gar irgendwelche Verbrechen, steigt der Böse-Buben-Level. Ist dieser einmal komplett gefüllt, wird man bald von jeder hintersten und letzten Wache aufgegriffen. Geschieht dies, ensteht um Ezio ähnlich wie in GTA ein Kreis, aus dem er flüchten muss, um die Verfolger loszuwerden. Idealerweise macht man dies via Dächer, und versteckt sich dann irgendwo.
Das Basis-Niveau dieses schlechten Rufes kann man durch das Entfernen von Steckbriefen, das Bestechen von Herolden oder das Umlegen von Beamten wieder auf ein zivilisiertes Level von 0% senken.
Muoviti muoviti

Rauf auf die Dächer
Nicht viel verändert hat sich hinsichtlich der Controls. AC2 steuert sich bis auf ein paar wenige Ausnahmen genau gleich wie der erste Teil. Ein paar neue Optionen im Kampf sind hinzugekommen, ein paar neue Aktionen da und dort, aber grosso modo hat sich hier nicht viel getan. Da das Spiel grundsätzlich flüssiger läuft, gelingt das Steuern von Ezio ordentlich gut und irgendwie etwas leichter als noch Altaïr vor zwei Jahren. Das kommt dem Spiel gerade beim Kämpfen zugute, diese fühlen sich irgendwie leichtfüssiger an. Trotzdem kommt es vor, dass Ezio partout nicht das machen will, was man im Kopf hat, und das kann ab und zu mal etwas nerven. Gerade beim Hin- und Herschwingen an einer Stange hängend machte Ezio zumindest bei meinen Testläufen des öfteren quasi genau gar nicht was er sollte. Dies kann einem bei schwierigen Innenraumpassagen z.b. auf dem Weg zu Assassinengräbern ziemlich auf den Wecker gehen. Andere Beispiele von Freerunnern wie Prototype oder noch viel mehr inFamous haben hier ganz klar die Nase vorn. Gerade der Velokurier Cole MacGrath aus den Federn von Sucker Punch war im Vergleich zu Ezio ein junges Rehlein.
Ansonsten gelingt das Parkourvorhaben in alter Zeit durchaus gut und macht ordentlich Spass. Gerade der Jump-Kill mit der versteckten Klinge von einem Vorsprung herunter auf das nichtsahnende Opfer macht immerwieder ordentlich Laune.
Alle Screenshots by wisegamers