MASS EFFECT 3
Testbericht | PS3 | PC | Xbox 360

Mass Effect 3

vor 12 Jahren von DN, Aktualisiert: vor 12 Jahren

Mein Testbericht zum Abschluss von BioWare's Sci-Fi-Epos hat etwas mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet. Einerseits hat dies mit meiner Auseinandersetzung zur Debatte über Zwischenmenschliches bzw. Zwischen-Spieler-und-NPC-liches im vorliegenden Mass Effect 3 zu tun, andererseits wollte ich nicht durch das Spiel «durchrennen». Wie steht es aber nun mit dem Verdikt zum in Gamerkreisen umstrittenen Abschluss der Trilogie?


Die Erde am Abgrund

Die Städte des blauen Planeten brennen. Gigantische Angriffsmaschinen der Reaper zerpflücken die Strassen und zermalmen Betonmauern wie Sandburgen. Die Vernichtung des Heimatplaneten der Menschen scheint unaufhaltsam. Oder gibt es doch noch einen Ausweg?

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Du schlüpfst in die Elite-Astronautenkrieger-Stiefel von Commander Shepard und musst einen Weg finden, um die Reaper aufzuhalten. Doch die Reaper sind bereits auf der Erde gelandet, und so bleibt vorerst nichts anderes übrig als die Flucht in's All. Auf einer Marsbasis stösst Shepard bald auf Pläne für eine Maschine mysteriösen Ursprungs des alten Volkes der Protheaner mit gewaltiger Zerstörungskraft. Doch vorerst weiss niemand, wie und ob man dieses Monsterding überhaupt bauen kann. Cerberus hat natürlich ebenfalls die Finger im Spiel in Form des Illusive Man und seiner Schergen — das geheimnisumwobene Oberhaupt des Untergrundkonzerns mischt überall da mit, wo gigantischer Profit und unendlicher Ruhm winkt. Erbitterte Gefechte sind unausweichlich, und Shepard muss grosse Opfer erbringen, um sein Ziel zu verfolgen. Wird er und seine Crew die Erde retten können?

Die Handlung der mitreissenden Story packt gleich von Beginn weg. Der Controller, bzw. Maus und Tastatur kommen so schnell nicht mehr zur Ruhe. Auch ME-Neulinge werden sich schnell zurechtfinden, wo Fans der Serie sicherlich die eine oder andere Neuerung mit Missfallen quittieren, wie das bereits beim Metacritic-User-Rating klar ersichtlich geworden ist (Bei der PS3-Version sieht es noch düsterer aus). Für Newcomer, denen ich tunlichst an's Herz legen möchte, erst den ersten und insbesondere den zweiten Teil der Serie zu absolvieren, ist der Appendix mit allerlei Hintergrundinfos zu Völkern und wichtigen Personen sicherlich interessant. Aber auch der eine oder andere Veteran unter euch dürfte gut daran tun, das Journal mal wieder zur Hand zu nehmen.

Das dynamische Story-System, wie man es aus vergangenen Teilen der Serie bereits kennt, wurde beibehalten, allerdings um einiges zurückbuchstabiert. Die Handlungen und Entscheidungen des Spielers haben nicht mehr das Gewicht wie man es aus Teil 2 gewohnt ist. Was sich BioWare dabei gedacht hat, steht in den Sternen. Vermutungen anstellen darf man natürlich trotzdem: A) BioWare wollte beim Spieler ein Gefühl des Soges hin zu einer unvermeidlichen grossen Knall erzeugen, eine Art stromlinienförmige, beschleunigende Inszenierung oder B) die Entwickler wollten dem Finale einen stärkeren Actiondrall mit viel Gekrache und mehr Getöse verpassen als in früheren Teilen. Tatsache ist, dass beides nicht so recht gelungen ist.

Was das umstrittene Ende — bzw. die umstrittenen Enden wenn man's genau nimmt — angeht, so möchte ich mich dazu nicht im Detail äussern. Eine ganze Schar von ME-Fans hat meine Meinung in Form einer originellen Aktion vorweggenommen: Sie sandten 400 Cupcakes an BioWare, welche oben mit einer Glasur in Form eines A, B oder C versehen waren. Die Füllung innen war jedoch... das dürft ihr gerne selbst nachlesen, wenn ihr dem Link folgt.

All-gegenwärtige Plaudereien

Die Dialoge bewegen sich nach wie vor auf einem hohen Niveau, wenn auch mit weniger Optionen ausgestattet als früher. Die Sprecher sind von einem anderen Stern, die Hauptfiguren greifbar wie aus einem Film. Vielleicht sogar noch ein Stück plastischer, da man mit ihnen auf unterschiedliche Weise interagieren kann. Leider bleiben manche Regungen, Zu- und Abneigungen und andere Emotionen auf einer eher oberflächlichen Ebene. Mich persönlich hat Mass Effect 2 diesbezüglich mehr überzeugt — wie auch die Spiele der Dragon Age-Reihe.

Je nach dem wie man sich in Gesprächen verhält, und mit wem man überhaupt spricht, erhält man Punkte als Aufrührer oder loyaler Diener der Citadel-Konföderation. In manchen Gesprächen kann man ausserdem Spontanaktionen tätigen, meist in Form eines Klopps an die Birne des Gegenübers oder sonstige Aussetzer. Trotzdem unterhaltsam. Je nach dem wie man sein Image formt, verhalten sich NPC-Charaktere im Spiel entsprechend, oder es tut sich der eine oder andere Ast der Geschichte erst gar nicht auf. Auch wenn es manchmal recht viel Zeit in Anspruch nehmen kann — es lohnt sich effektiv mit allen möglichen Leuten zu sprechen. Und ich meine damit: Mit ALLEN. Das heisst noch lange nicht, dass man auf alle geäusserten Wünsche und Anliegen eingeht, aber es kann nicht schaden, sich das Ganze mal anzuhören. Die Geduld wird in Form von Imagewerten, Erfahrungspunkten oder auch einfach der einen oder anderen interessanten Episode mit Hintergrundinfos belohnt. BioWare's Idealvorstellung von Shepard ist offensichtlich mindestens genausoviel Politiker (oder eben auch Intrigant) wie Ballerhengst.

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Startet man ein neues Spiel, gibt es neu Möglichkeiten für Vermeidung von Actionsequenzen oder zusätzlicher Minimierung von Storyelementen. Die Optionen für das besonders actionlastige oder storylastige Spiel machen meiner Meinung nach genausowenig Sinn wie das «dumbing down» — also das «runterblöden» oder «simplifizieren» der dynamischen Handlung, wie es im klassischen Modus bereits der Fall ist. Actionfans dürfen das Spiel als eine Art Gears of Mass spielen. Eingefleischte Leseratten haben die Möglichkeit zum Spiel mit vereinfachten Actionsequenzen. Als reiner Shooter taugt ME3 zuwenig, und wer nur die Story im Sinn hat liest besser ein richtig gutes Buch. Die einzige vernünftige Wahl bleibt also nach wie vor der klassische Action-RPG-Modus für das volle Mass Effect-Erlebnis — mit leichten Abstrichen in Teil 3.

Hi! My name is Crash Bang Shepman

Der Spielaufbau besteht wie gewohnt aus dem Anwerben von Mitstreitern, während man gleichzeitig die Galaxien von Einheiten der Cerberus und Reaper säubert und neue Orte besucht, meist um zu kämpfen. Im Verlauf der Reise können die bekannten und neuen Gesichter, welche sich in der Normandy eingefunden haben, in Gefechten eingesetzt oder als Ratgeber auf der Brücke in Anspruch genommen werden. Kommt es zu einem Kampfeinsatz, dürfen jeweils zwei MitstreiterInnen auf eine Mission mitgenommen werden. Auch die Bewaffnung und die Verteilung der Skill-Punkte dürfen nach eigener Wahl bestimmt werden.

Je nach dem wie der eigene Shepard — bzw. die eigene Shepardess — ausgerüstet und ausgebildet ist, lohnt sich das Einberufen von bestimmten ergänzenden KämpferInnen. Die meisten Spieler werden sich wahrscheinlich zwei LieblingsbegleiterInnen aussuchen, welche regelmässig zum Zug kommen. Mir ging es zumindest so. Das Abstimmen der Begleiter je nach Mission kann Sinn machen, ich kam jeweils gut zurecht mit meinen zwei «Stammgästen».

In der Donnerbüchse liegt die Kraft

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Eingangs des Spiels darf man wie gewohnt das eigene Gesichts-Aussehen verändert werden, wie man es aus Skyrim und Co. kennt. Wichtiger ist jedoch die Ausgangslage in Sachen Skills. Dazu stehen verschiedene Presets von Fertigkeitstypen zur Wahl. Soldier für Kampffixierte, aber auch Mischformen für mehr biotische Power und Telekinese-Wucht. Dazwischen gibts den Infiltrator mit Tarnfähigkeit und Fernkampfspezialisierung (idealerweise ausgerüstet mit einer schnippigen Snipergun), einen Nahkampfspezialisten sowie eine Klasse mit nützlichem Schutzschild.

Altbekannte Schwächen im Gameplay wurden leider nicht ausreichend ausgebügelt. Die nervigen Cover-System-Mechanismen kommen einem regelmässig in die Quere. Die Schiesserein können arg klobig wirken, wenn man beispielsweise über eine Deckung springen will. Manch ungenaue Berechnung der Bewegung kann auf Dauer frustrierend wirken. Man bleibt hie und da hängen, und das führt auf Normal oder schwerer schnell mal zu einem unliebsamen Tod. Beispiel gefällig? Die Mission mit der Mars-Basis ganz zu Beginn des Spiels führt zu einer Bahn, mit welcher man fährt. Der Zug kommt zum Stillstand, die Türscheiben gehen runter, und kaum hat man einen Schritt gemacht, fällt Shepard in eine hüfthohe Versenkungen im Boden. Schnelle Befehlserteilung an die Mitkämpfer und eine flüssige Bewegung durch die Räumlichkeiten werden so fast verunmöglicht. Es kann auch vorkommen, dass Mitstreiter hinter einer Tür, welche sich zu Beginn eines Abschnittes öffnet und wieder schliesst, stecken bleiben. Man hat dann die Wahl, alleine weiterzukämpfen oder nochmals neu anzusetzen. Schade.

Das Handling der Waffen ist hingegen in Ordnung. Mit den vielen Credits, die man während der Einsätze oder für erfolgreich absolvierte Aufgaben erhält, gibt es massenhaft Waffenupgrades zu kaufen. Jede Waffe lässt sich in fünf Stufen aufpimpen, was zu mehr Schaden, grösseren Magazinen und mehr Präzision sorgt. Zusätzlich finden sich in den Einsatzgebieten diverse Zubehörteile wie Stabilisatoren und ähnliches. Jede Waffe darf mit maximal zwei dieser Zusatzausrüstungen ausgestattet werden.

Die Erfahrungspunkte werden in einen einfachen Fertigkeitsbaumes investiert. Neue Fertigkeiten und Features werden so ausgebaut oder erst freigeschaltet. Dabei kann es sich auch um Gegenstände handeln, wie beispielsweise die Splittergranate. Investiert man Skill-Punkte in dieses Feature, resultiert dies in vergrösserten Wirkradius, mehr Kapazität und mehr Schaden, bis hin zu Vorteilen für die Mitkämpfer.

Verschwunden ist das Planetenplündern für die Gewinnung von Rohstoffen. Dieses Feature habe ich überhaupt nicht vermisst, von da her kein grosser Verlust. Jagen und sammeln darf muss man trotzdem, einfach andere Dinge: Im finalen Teil der ME-Trilogie geht es darum, Kriegspunkte sammeln. Dies geschieht durch das Gewinnen von Völkern, Fraktionen und einzelnen Persönlichkeiten für die eigene Sache. Die meisten Addierungen zur Kriegsliste verlangen mindestens das Absolvieren einer bestimmten Mission. Einige Punkte lassen sich aber auch ganz einfach dazugewinnen, wie beispielsweise die Kriegsreporterin beim ersten Besuch im Citadel. Man braucht ihr lediglich zu erlauben, auf der Normandy ein bisschen zu filmen, fertig. Dies beschert einem ganz nebenbei ein paar Bonuspunkte für den Ruf.

Und wie sieht's im Online-Cockpit aus? Kaum erwähnenswert, leider. Der Horde-ähnliche Multiplayermodus, in welchem man Angriffswelle für Angriffswelle von Gegnern überstehen muss, taugt nicht für sehr viel. Man darf zwar Waffen freischalten und den eigenen Charakter aufleveln, sowie Waffen-Add-Ons ergattern, spielerisch gibt das Ganze allerdings nicht sehr viel her im Vergleich zur Hauptstory. Schön wäre ein Kooperativmodus gewesen. Wieso nicht mit einem oder zwei Kumpels das Weltall retten? Das «Ankleben» solcher eher unmotivierter Multiplayermodi erachte ich nicht zum ersten Mal als unnötig. Dead Space 2 und andere Beispiele haben bereits gezeigt, dass solche Übungen wohl in erster Linie zum zusätzlichen Einsacken einiger Dollars durch Online-Pässe oder für die Sammlung von Marketingdaten der Spieler dient, weniger zur Bereicherung der Spielerfahrung.

Schnittige Welten

Die Planeten, Monde, die Raumstationen und Raumkreuzer mit ihren Kommandobrücken, die Aliens und Völker und alle anderen Puzzleteile des Mass Effect-Universums können sich sehen lassen. Gemessen an der schieren Grösse des Spieluniversums bekommt man hier allerhand tolle Optik serviert, die Engine rockt. Die Texturen sind scharf, es gibt kaum Pop-Ins, und die seltenen Ruckler (komischerweise in Zwischensequenzen, PS3-Version) sind nachsehbar.

Die Architekturen und Innenräume im Spiel sind von astreiner und glaubwürdiger Qualität, der Wechsel zwischen beiden in manchen Missionen gelingt ohne Rausschmiss aus der Immersion. Manche Stelle lädt zum Verweilen ein, obwohl gerade ein hitziges Gefecht tobt. Gigantische Stahlkolosse im Hintergrund, vorbeifliegende Schwebemobile, Parks und Grünwelten, Terrassen, Staubwolken und brennende Planeten zaubern das eine oder andere Staunen auf das Gesicht.

Fazit

Ja, das liebe Ende, das liebe Ende. Ich werde es unterlassen, an dieser Stelle irgendwelche Aussagen über Sinn oder Unsinn vom einen oder anderen Ausgang der Saga zu machen. Fakt ist: Wenn eine Giganto-Trilogie wie diejenige von Mass Effect zu Ende geht, dürfte kein Abschluss den Geschmack von allen treffen.

Mass Effect 3 ist zwar meiner Ansicht nach gelungen, aber genau genommen kein vollkommen würdiger Mass-Effect-Titel. Fans der Serie werden beklagen, dass Entscheidungen für den Verlauf der Geschichte weniger Einfluss haben als auch schon, und dass die RPG-Elemente «dumbed down» wurden — also «runtergeblödet», sprich stark vereinfacht im eher negativen Sinn. Actionfans wird's gefallen, RPG-Fans wird's missfallen.

Tatsache ist: Mass Effect 3 ist spannender geschrieben, bildgewaltiger visualiert, dramatischer umgesetzt und besser besetzt in Sachen Hauptfiguren als jede Space-Opera aus Kino und Fernsehen bis dato. Aber bitte, bitte EA, nicht die Filmrechte verkaufen. Ein Mass Effect-Film kann nur in die Hose gehen, zu hoch ist die Messlatte, welche BioWare mit den Spielen vielerlei Hinsicht gesetzt hat.

Trotzdem: Für den Gold Award hat es BioWare nicht ganz gereicht. Vielleicht war der Abschluss der Trilogie am Ende doch einen Tick zuwenig raffiniert.

Wir bedanken uns bei Electronic Arts für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getestet haben wir die Ausgabe für PlayStation 3.


judgementbox
Mass Effect 3
Positiv

Geniales Design, schöne Grafik, grossartig inszeniertes Spiel und würdiger Abschluss der Trilogie, einzelne Missionen von hoher Qualität, tolle Besetzung der Sprechrollen, episches Feeling

Negativ

RPG-Elemente und Spielerentscheidungen zurückgenommen und teilweise entkräftet, Deckungssystem manchmal umständlich, Kämpfe können frustrieren wegen streckenweise klobigen Controls, Gesichtsanimationen nicht mehr zeitgemäss, manche Mission etwas repetitiv, Multiplayer unnötig und nicht besonders reizvoll

Alleine spielen: Sehr gut!
Mit Freunden auf dem Sofa spielen: Gibt's nicht.
Mit Freunden im Internet spielen: Nur für Fans.
Du kannst DN, den Autor dieses Beitrags, über seine Kontakt-Seite erreichen.


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Mass Effect 3
Erhältlich für PlayStation 3, Windows PC, Xbox 360
Von Bioware (Developer), Electronic Arts (Publisher)