ASSASSIN'S CREED 3 Assassin's Creed 3Der dritte, oder besser gesagt der fünfte Teil der Attentäter-Saga macht vieles neu. Neue Engine, neue Schauplätze zur Geburtsstunde der Vereinigten Staaten von Amerika, Gefechte auf Schiffen und begehbare Wildnis. Aber heisst «neu» in diesem Fall auch «gut»? Wer sich auf die Suche macht, findet ein paar prall gefüllte Schatztruhen. Aber leider auch sehr viele Kisten voller leerer Versprechungen. Hat sich die Wahl des Settings zur Zeit der Amerikanischen Revolution gelohnt?Ich hätte mir zwar ein Setting wie die Französische Revolution oder eine der Russischen Revolutionen gewünscht, fand die Reise in die Jugend der Vereinigten Staaten von Amerika aber durchaus unterhaltsam. Grundsätzlich ist zu sagen, dass man (wenn man will, niemand wird dazu gezwungen) in AC3 viel über die Epoche der amerikanischen Geschichte lernen kann. Die Hintergrundinfos sind toll aufbereitet, und verfügen — im Gegensatz zu anderen Elementen des Spiels — auch über eine Spur Selbstironie. Diesen Part macht Ubisoft bereits seit Teil 1 hervorragend, und die Mischung aus historischen Fakten und Fiktion sind auch in Teil 3 spannend aufbereitet. Das habe ich aber auch nicht anders erwartet. Als Einstieg dient wie immer die Rahmenhandlung mit Desmond Miles, der inzwischen mit seiner Crew und seinem Vater in einer Tempelruine der alten Zivilisation Unterschlupf gefunden hat. Es droht ein alles vernichtender Solarsturm und es gilt nun die Technologie der Alten zu aktivieren, um die Menschheit vor dem Untergang zu retten. Das ist allerdings alles viel weniger spannend als die Geschichte, welche sich im Animus aka. in Desmond's Kopf abspielt. Das neue Szenario beginnt in London im Jahr 1756. Genauer gesagt in Covent Garden, anlässlich einer abendlichen Theateraufführung in der Royal Opera. Die Hauptfigur heisst zu Beginn des Spiels Haytham Kenway, ein Assassine, der später zu einem der mächtigsten Templer der neuen Welt aufsteigen würde. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Die ersten Szenen des Spiels sind in Sachen Gameplay und Dramaturgie, wie auch hinsichtlich Grafik und Präsentation eine absolute Wucht. Es hat mich glatt umgehauen, wie viel flüssiger die ganzen Animationen ineinandergreifen, wie eindrücklich die Motion Capture-Sequenzen und die Sprecher daherkamen — in einem Satz ausgedrückt: Der schlichte Oberhammer. Die Story wird in Assassin's Creed 3 wesentlich vielschichtiger erzählt, also noch in den drei Teilen mit Ezio, geschweige denn im ersten Teil mit Altaïr. Dies tut dem Spiel nicht immer nur gut, und maches Details scheint verwirrlich, gerade im letzten Drittel der Handlung. Der Einstieg ist jedoch mustergültig und dürfte so manchem Fan der Serie den Atem verschlagen haben. Die Geschichte wirkt erwachsener, etwas schwermütiger, vielleicht auch eine Spur pathetischer. Schade halt — wie bereits angetönt — dass das Spiel das Level der ersten paar Stunden schlichtweg nicht halten kann. Andererseits gehört der Moment, wo Haytham Kenway von Bord geht in Boston, zu einem der gewaltigsten in der jüngeren Videospielgeschichte. Möven fliegen umher, Leute gehen ihren Geschäften nach, und ein grosses Abenteuer liegt in der Luft. Solange man in Haytham's Fussstapfen wandelt, hat das Spiel grosse Klasse. Später nimmt diese phasenweise drastisch ab. Die Spielwelten mit den Städten Boston und New York bieten grosses Kino was die Atmosphäre angeht. Auch die Wildnis zu verschiedenen Jahreszeiten kann sich sehen lassen, auch wenn in diesen Gegenden merklich zum Vorschein kommt, dass das Team hinter Assassin's Creed sich mehr mit dem Design von Stadtwelten vs. freier Natur auskennt. Die Wälder und Flüsse sind zwar schön gemacht, aber halt irgendwie auch nicht besonders spannend. Schwer zu sagen an was das liegt. Was kann die neue Anvil Engine — und was kann sie (noch) nicht?
Was taugt der neue Protagonist Connor aka. Ratonhnhaké:ton?Genaugenommen startet man ja in der Haut von Desmond Miles, und im eigentlichen Spiel angekommen, geht es mit Haytham Kenway weiter. Ich persönlich kann mich nicht sonderlich begeistern für die Figur Desmond Miles. Er wirkt auf mich viel zu sehr nach einem Vehikel, um den Rest der Story durchzubrettern. Da hilft auch der eher gekünstelte Konflikt mit Desmond's Vater nicht viel, zu aufgesetzt das Ganze. Die Sequenzen, wo man Desmond in der Realität der heutigen Zeit im Jahr 2012 spielt, sind allerdings überblickbar kurz. Eine spezieller Abschnitt hat mir sehr gut gefallen. Definitiv nichts für Leute mit Höhenangst. Spannender sind sicherlich die Personen, welche man im Animus steuert oder welchen man darin begegnet. Haytham fand ich einen absolut genialen Charakter, und ehrlich gesagt hätte ich allzugern in seiner Rolle weitergespielt. Typisch für Licht- und Schattenseiten in diesem Spiel: Haytham ist einer der coolsten, wenn nicht der coolste Charakter überhaupt je in einem AC-Game — ganz im Gegensatz zum späteren Hauptdarsteller. Denn Connor vermochte bei mir keine grossen Emotionen zu wecken. Im Vergleich zum äusserst charismatischen Ezio Auditore da Firenze wirkte Connor auf mich wie ein permanent schlechtgelaunter Schulbub mit Football-Spieler-Figur, der einfach zuwenig Glaubwürdigkeit in seine Rolle mitbringt. Vielleicht liegt das auch an einem eher suboptimalen Casting für die Rolle des Connor. Jedenfalls sprühen da keine Funken. Für mich ist Connor mit Abstand die schwächste Hauptfigur in einem Assassin's Creed aller Zeiten. Punkt aus. Wo liegen die Hauptprobleme von Assassin's Creed 3?Ich werde versuchen, anhand von ein paar wenigen Beispielen und Fakten die wichtigsten Schwierigkeiten des Spiels zu erläutern. Müsste man in einem Satz sagen, was das Problem ist, so würde ich das so ausdrücken: Das Spiel steht sich selbst zu oft im Weg, bzw. fällt zu oft über die eigenen hübschen Füsschen. Das liegt an folgenden Umständen:
Diese Beispiele — Achtung! Spoiler — illustrieren die erwähnten Probleme eindrücklich: Ich befinde mich in New York, ein Attentat gilt verübt zu werden. Die Zielperson flieht zu Fuss. Entgegen der Absicht der Scriptschreiber erwische ich ein Pferd, verfolge den Täter im Gallopp. Ich kann aber weder die Distanz verkürzen, noch mein Opfer per Sprung vom Pferd zur Strecke bringen. Die Option zur Air-Attack erscheint partout nur bei herumirrenden Stadtwachen, nicht aber beim eigentlichen Ziel. Also verfolge ich mein Opfer weiter zu Fuss durch die Gassen von New York. Da ich zum Sprinten den R1-Button gedrückt halten muss, sprintet Connor nicht etwa im direkten Weg meinem Ziel hinterher, sonder klettert unwillentlich auf mannshohe Zäune und sonstige Hindernisse, statt sie zu umgehen. Erst vier Strassenzüge weiter kann ich endlich zuschlagen —Â und ärgere mich trotz geschaffter Mission grün und blau. Noch ein Muster gefällig? Ich bin im Grenzgebiet unterwegs, reite durch die verschneite Gegend auf dem Weg zu meinem nächsten Missions-Start. Ich gelange auf eine Anhöhe, erblicke ein weiss gepudertes Tal, Schneeflocken wirbeln durch die Luft, und ich denke mir Wow Wow Wow! Assassin's Creed 3 kann einfach so genial schön sein, Hammer! Ich reite weiter und keine halbe Minute später werde ich aus heiterem Himmel von drei Wölfen angegriffen. Das Erledigen des ersten Tiers mit einem Sprung von Pferd misslingt wegen einer Ungenauigkeit in der Kollisionsabfrage. Der nachfolgende Quicktime-Event misslingt aufgrund meines Ärgers. Und schon springt der nächste Wolf herbei um mir den Rest zu geben. Nach Wiedereintritt in's Spiel finde ich mich ohne Pferd in der Wildnis wieder und ich muss zu Fuss zum Zielort durch den hüfthohen Schnee stampfen. Einfach nur toll. Der absolute Supergau: Das letzte Attentat. Gott... Wer sowas verbricht, sollte postwendend gefeuert werden. Erst kommt man kaum an den Wachen auf dem Pier vorbei, und hat man das brennende Schiff erreicht, weiss man nicht wohin man rennen muss. Gefühlte 50 Versuche später gab's dann zur Belohnung ein total schwach geschriebenes Ende. Bingo. Zum Abschluss fairerweise noch ein paar Highlights, denn davon gibt es durchaus auch ein paar: Die Seeschlacht von Chesapeak im Abendrot ist einer der genialsten Momente der Videogame-Geschichte. Die Gefechte in der untergehenden Sonne, der Rauch auf dem Meer, die glitzernden Schaumkronen und die satte Action wären alleine ein Spiel wert. Und wenn wir gerade dabei sind: Die Szenen im halbzerstörten New York nach dem grossen Brand können sich durchaus sehen lassen. Alle Achtung. Es gäbe hier durchaus noch das eine oder andere Highlight mehr zu erwähnen, aber gemessen an der Qualität vergangener Assassin's Creed-Games überwiegen in Teil 3 leider die Enttäuschungen gegenüber den positiven Aspekten. Die Erwartungen wurden im Vorfeld massiv geschürt, und leider in manch kritischem Punkt nicht oder nur bedingt erfüllt. Was wünschen wir uns für Assassin's Creed 4?
FazitDas beste Assassin's Creed ist und bleibt Teil 2. Nicht Teil 1 (welcher ebenfalls ziemlich viele Mängel aufwies), nicht Brotherhood und nicht Revelations. Was uns Ubisoft mit der Renaissance, mit Ezio Auditore und dem der genialen Sequenz mit dem Karneval von Venedig in Teil 2 bot, bleibt bis heute unerreicht. Auch wenn die Animationen noch weniger fein flossen als im vorliegenden Spiel und auch wenn die Kämpfe etwas hakelig waren. Ubisoft hat mit AC3 ein grösseres Stück abgebissen, als sie kauen konnten. Um diese Tatsache führt leider kein Wenn und Aber herum. Zuviel gewollt, zuviel verhauen. Merkwürdigerweise wurde eine brillante Idee — diejenige mit unterschiedlichen Kostümen aka. Rollen aus dem Vita-Ableger Liberation nicht übernommen. Die ersten paar Stunden des Spiels waren fantastisch. Was folgte war ein Wechselbad zwischen Desaster und Highlight. Wäre die Wertung nach dem Prolog in der Rolle von Haytham Kenway in der neuen Welt fällig gewesen, wäre der Gold Award dringelgen. Aber je länger das Spiel dauerte, je mehr Ecken und Kanten gab es zu umschiffen — manchmal im wahrsten Sinn des Wortes. Assassin's Creed 3 ist phasenweise ein exzellentes Game. Bloss ist es über das ganze Paket hinweg betrachtet in zuvieler Hinsicht ein kaputtes Spiel. Technisch gesehen stimmt vieles, die neue Engine wird sicherlich noch weiter aufgepumpt und bereinigt werden für zukünftige Produnktionen. Aber was Designentscheidungen und Spielmechanismen angeht, hat Ubisoft hier mehr als an einem Ort geschlampt. Waren es letztes Jahr die eher unspektakilären und unnötigen Tower-Defense-Einlagen, ist es dieses Mal die kaum mehr existierende Versteckmechanik, gepaart mit mühsamen Verfolgungsalgorithmen und zuvielen aufgezwungenen Situationen mit Frustpotential. Hoffen wir mal, dass mit dem nächsten Teil, welcher standesgemäss in einem Jahr erscheinen wird, die vielen Kinderkrankheiten der neuen Engine ausgemerzt, sowie das eine oder andere Detail im Gameplay nachgebessert werden. Vielleicht liegt dann auch wieder eine etwas charismatischere Hauptfigur drin. Bis zum nächsten Mal, liebe Templer! Wir bedanken uns bei Ubisoft für die freundliche Bereitstellung einer Vollversion zu Testzwecken. Getestet haben wir die Ausgabe für PlayStation 3.
Assassin's Creed 3
Positiv
Flüssige Bewegungen, actionreiche Kämpfe, schöne Grafik, Framerate meist sehr hoch, abwechslungsreiche Charakteren, furioser Storybeginn, beeindruckende Settings mit Schnee und Wildnis, vielseitiges Gameplay, umfangreiche Kampagne Negativ
Die Anvil-Engine hat noch zuviele Kinderkrankheiten, Animus-Turorial ist für erfahrene AC-Spieler etwas lang geraten, U-Play für Onlinegaming Pflicht :-( leider ein verbreiteter negativer Trend, teilweise zuviele Gegner auf kleinem Raum nagen an der Glaubwürdigkeit der Szenerie, frustrierende Passagen mit aufgezwungenen Verhaltensmustern, mühsames Alarm-System, nervige Fehler bei schnellen Sequenzen wo Connor sich häufig dämlich verhält (rauf auf Zaun statt rein in die Gasse, etc.), Missions-Start-Icons erscheinen manchmal auf der Karte und verschwinden wieder — Startpunkt im Spiel ist nicht auffindbar
Du kannst DN, den Autor dieses Beitrags, über seine Kontakt-Seite erreichen.
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